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Personenfreizügigkeit: Ostschweizer Wirtschaft und Politik sind uneins

IHK St.Gallen-Appenzell weibelt für volle Personenfreizügigkeit – doch FDP und SVP betonen Kehrseite der Zuwanderung

 

Am Wirtschaftsanlass «Zukunft Ostschweiz» wurde klar: Die IHK St.Gallen-Appenzell möchte die Personenfreizügigkeit möglichst ohne Einschränkungen beibehalten. Anders sieht es bei der FDP aus, die sich der Haltung der SVP annähert.

 

Die IHK St.Gallen-Appenzell hat sich am Montag an ihrer Veranstaltung «Zukunft Ostschweiz» klar für die Personenfreizügigkeit ausgesprochen. Es ist ein politischer Dauerbrenner, der zurzeit nicht nur bei den laufenden Verhandlungen zwischen der Schweiz und der EU diskutiert wird.

So fordert die FDP Zürich unter der Führung ihres Präsidenten Filippo Leutenegger in ihrem neuen Parteiprogramm ein griffiges Schutzkonzept «zur Steuerung und Reduktion der Zuwanderung aus der EU.» Eine Nachricht, die die SVP freute. «Halleluja!», jubelte diesbezüglich SVP-Präsident Marcel Dettling gegenüber dieser Zeitung.

 

Caroni verteidigt Zuwanderungsabgabe

 

Zeitgleich fordert der Ausserrhoder Ständerat Andrea Caroni (FDP) den Bundesrat in einem Postulat dazu auf, das Konzept einer Zuwanderungsabgabe zu prüfen. Konzepte, wie die Zuwanderungsabgabe oder Kontingente wurden am IHK-Anlass kritisiert. Sie führten zu mehr Bürokratie, schwächten den Wirtschaftsstandort Schweiz und schränkten die Personenfreizügigkeit ein.

Der Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni.

Der Ausserrhoder FDP-Ständerat Andrea Caroni.

Bild: Andrea Tina Stalder

Er verstehe aus Wirtschaftssicht den Wert einer möglichst freien Arbeitsmigration, schreibt Caroni auf Anfrage. «Dennoch sollten wir die Vor- und Nachteile einer Zuwanderungsabgabe genauer anschauen.» Er handle sich um ein liberales, marktwirtschaftliches Instrument, um die Sorge um übermässige Zuwanderung abzufedern – «viel gezielter als mit Kontingenten oder Inländervorrang.» Das Instrument würde primär gegenüber Drittstaaten gelten, aber im Rahmen einer Schutzklausel allenfalls auch für die Personenfreizügigkeit.

 

FDP St.Gallen befürwortet Schutzklausel

 

Zur Forderung der FDP Zürich, die Zuwanderung aus der EU zu steuern und zu reduzieren, möchte sich Caroni nicht äussern, dafür Raphael Frei, Präsident der FDP des Kantons St.Gallen. Die FDP fordere bereits seit Jahren eine griffige Schutzklausel im Bereich der Zuwanderung. Die Forderung der Zürcher FDP sei somit nicht neu, sondern hebe ein Element der «konstruktiven, freisinnigen Europapolitik» hervor.

Raphael Frei, Präsident der FDP des Kantons St.Gallen.

Raphael Frei, Präsident der FDP des Kantons St.Gallen.

Bild: Benjamin Manser

«Noch wichtiger scheint mir jedoch die konsequente Bekämpfung der illegalen Migration, die der Zürcher Freisinn ebenfalls betont», sagt Frei. Das geltende Recht müsse durchgesetzt, die Grenzen gesichert und die Sozialsysteme geschützt werden.

Die IHK St.Gallen-Appenzell positioniere sich mit ihrer Haltung zur Personenfreizügigkeit nahe bei der FDP. «Wir fordern einen unbürokratischen Zugang für qualifizierte Arbeitskräfte aus dem Ausland. Wir sehen aber auch die gesellschaftlichen Herausforderungen», schreibt Frei. Die FDP sei überzeugt, dass es für die Zukunft der Personenfreizügigkeit «eine Weiterentwicklung des bilateralen Wegs brauche.»

 

SVP hofft auf Unterstützung der FDP

 

Der neue Wind, der bei der FDP Zürich weht, stimmt die SVP St.Gallen wenig überraschend positiv. «Die SVP begrüsst, dass auch bei der FDP nun langsam ein Umdenken stattfindet», schreibt Walter Gartmann, Nationalrat und Präsident der SVP des Kantons St.Gallen auf Anfrage. In der Asyl-Debatte vom letzten September seien dank einer bürgerlichen Allianz aus SVP, FDP und einigen Mitte-Politikern zwei Vorstösse im Migrationsbereich gutgeheissen worden.

Walter Gartmann, Nationalrat und Präsident der SVP des Kantons St.Gallen.

Walter Gartmann, Nationalrat und Präsident der SVP des Kantons St.Gallen.

Bild: Benjamin Manser

Die SVP erhoffe sich mit den Ausführungen zur Personenfreizügigkeit im neuen Parteiprogramm der FDP Zürich nun «natürlich auch die entsprechende Unterstützung in den Parlamenten bei den Vorstössen der SVP», welche die eigenständige Steuerung der Zuwanderung in die Schweiz verlangen, sagt Gartmann weiter.

Die Differenzen zwischen der SVP des Kantons St.Gallen und der IHK St.Gallen-Appenzell bei der EU-Frage – und damit der Personenfreizügigkeit – seien hingegen nicht neu, sagt Gartmann. «Unabhängig von der Position der IHK St.Gallen-Appenzell wird sich die SVP des Kantons St.Gallen auch in Zukunft für eine eigenständige Steuerung der Zuwanderung einsetzen.» Dies habe das Volk bereits 2014 mit der Annahme der Masseneinwanderungsinitiative verlangt.

 

Haltung der IHK sei einseitig

 

Michael Goette, SVP-Nationalrat und ehemaliger politischer Leiter der IHK.

Michael Goette, SVP-Nationalrat und ehemaliger politischer Leiter der IHK.

Bild: Anthony Anex / KEYSTONE

Noch deutlicher äussert sich Michael Götte, SVP-Nationalrat und ehemaliger politischer Leiter der IHK. Die Haltung der IHK St.Gallen-Appenzell sei zu einseitig. Sie klammere den gesamten Asylbereich aus. «Die Schweiz wächst weiter und weiter. Das hat nicht nur Vorteile, sondern auch eine Kehrseite.» So belaste eine zu starke Zuwanderung beispielsweise auch die Schweizer Infrastruktur.

Götte schreibt die Einwanderung an sich aber nicht pauschal ab. Für ihn sei klar: «Ohne ausländische Arbeitskräfte geht nichts.». «Wir müssen einen Weg finden, der es der Wirtschaft ermöglicht, weiter zu florieren.» Es müsse ein Umdenken stattfinden. Deshalb begrüsse er auch die Haltung der FDP Zürich. Aus demselben Grund befürworte er die Kompass-Initiative, die zum Ziel hat, dass wichtige Staatsverträge von Volk und Ständen abgesegnet werden müssen.

 

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