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«Bei Verboten hört es bei mir auf» – Michael Götte will für die St.Galler SVP einen zweiten Regierungssitz holen

Es ist sein zweiter Anlauf für einen Sitz in der Regierung. 32 war er damals. Heute bringe er klar mehr mit, sagt der 40-Jährige. Im Interview spricht der Gemeindepräsident von Tübach und Fraktionschef der SVP über falsche Anreize, schwarze Schafe und Wahlpannen.

Wie fit sind Sie?

Michael Götte: Ich fühle mich sehr fit.

Dann joggen Sie im Wahlkampf wieder durch den Kanton wie vor acht Jahren?

Ich plane einen sportlichen Wahlkampf. Ich werde die Langlaufloipen im Kanton testen, auch als Training. Am 8. März sind nicht nur Wahlen, dann findet auch der Engadiner Skimarathon statt. Ich laufe das Rennen.

Loipe statt Pfalzkeller?

Nein. Je schneller ich in der Loipe unterwegs bin, desto eher bin ich pünktlich in St.Gallen.

Ihrer Partei dürfte ein erfolgreicher Zieleinlauf in die Regierung wichtiger sein. Wie gross ist der Druck?

Er ist spürbar, nicht nur von der Partei, auch von mir selber. Ich habe es vor acht Jahren ja schon einmal versucht. Heute bringe ich klar mehr mit.

Was?

Ich führte damals die Fraktion seit zwei Jahren, heute bin ich mit Abstand der amtsälteste Fraktionschef. Ich bringe viel Erfahrung mit, wenn es darum geht, einen Konsens zu finden und Mehrheiten zu schmieden.

Die SVP fordert einen zweiten Regierungssitz. Berechtigt, nach der Wahlniederlage im Herbst?

Wir sind seit 1999 die wählerstärkste Partei im Kanton. Von einem kurzzeitigen Höhenflug, wie es manche Kritiker gerne hätten, kann keine Rede sein. Die Zeit für einen zweiten Sitz ist definitiv reif.

Ist der Verlust im Herbst dem Klima oder der Selbstgefälligkeit geschuldet?

Selbstgefälligkeit ganz sicher nicht. Der Sitzverlust schmerzt. Der Klimatrend hat im ganzen Land durchgeschlagen. In diesen Zeiten unseren mit 35 Prozent extrem hohen Wähleranteil zu halten, war fast unmöglich.

Ist die SVP etwas träge geworden?

Man kann immer noch mehr tun. Die Frage ist heute: Auf welchen Kanälen mobilisiere ich meine Wähler am besten? Das herauszufinden, ist die grosse Herausforderung.

Was tun Sie persönlich fürs Klima?

Wenn ich nach Zürich muss, steige ich in den Zug. Es gibt Strecken, auf denen es unsinnig ist, ins Auto zu steigen. Bei unserem Hausbau vor fünf Jahren entschieden wir uns für eine Erdsondenheizung, auch wenn es finanziell etwas weh tat. Bei diesem Thema sind längst nicht alle ehrlich.

Das müssen Sie erklären.

Es läuft etwas falsch, wenn jemand auf sein Einfamilienhaus eine Photovoltaikanlage setzt, den erzeugten Strom teuer der Gemeinde verkauft und für sein Haus günstigen Atomstrom einkauft. Das sind falsche Anreize.

Muss der Staat mehr Verbote aussprechen?

Der Staat muss für Umweltthemen sensibilisieren, aber keine Verhaltensregeln definieren. Bei Verboten hört es bei mir auf.

Braucht es eine dritte Röhre für die St.Galler Stadtautobahn?

Ja, so wie es den Anschluss für Rorschach und fürs Appenzellerland braucht.

Solche Forderung kommen heute in weiten Kreisen der Bevölkerung schlecht an.

Der Mix muss stimmen. Auch der öffentliche Verkehr braucht Strassen, nicht nur das Privatauto. Als Mitglied der Interessengemeinschaft öffentlicher Verkehr setze ich mich für gute Zug- und Busverbindungen ein.

Haben die Grünen einen Anspruch auf einen Regierungssitz?

Nein, das wäre heute vermessen. Der Anspruch der SVP auf einen zweiten Sitz ist deutlich höher und vor allem seit Jahren begründet.

Auf Kosten welcher Partei, wollen Sie den zweiten Sitz holen?

Das entscheiden die Wählerinnen und Wähler.

Wie viele Frauen braucht es in der Regierung?

Ich bin gegen Quoten. Der Frauenanteil war bislang unbestritten zu tief.

Und wie viele Spitäler braucht der Kanton?

Sicher die vier, welche die Regierung vorschlägt. Noch offen ist für mich die Ausstattung der geplanten fünf Gesundheits- und Notfallzentren. Drängend ist diese Frage besonders in Wattwil und Walenstadt, dort braucht es mehr Angebote als andernorts.

Wie bekommen wir die steigenden Gesundheitskosten in den Griff?

Es beginnt beim eigenen Verhalten. Es kann nicht sein, dass wir bei jedem Wehwehchen gleich zum Arzt oder auf den Notfall rennen. So wie bei den Spitälern müssen wir auch bei der Pharmaindustrie Kostengrenzen setzen. Da sind auf nationaler Ebene Korrekturen nötig, auch schmerzhafte.

Zurück in den Kanton: Müssen die Steuern gesenkt werden?

Das ist ein Kernanliegen der SVP. St.Gallen bewegt sich bei den Steuern im Vergleich mit andern Kantonen nach wie vor nur im Mittelfeld oder gar im letzten Drittel. In den vergangenen Jahren konnte dies ein wenig korrigiert werden, es gibt aber immer noch reichlich Verbesserungspotenzial.

Muss sich der Kanton um Reiche bemühen, wie es FDP-Regierungskandidat Beat Tinner fordert?

Das kann nicht das oberste Credo der Steuerpolitik sein. Wir leben von einem guten Mix, auch von einem guten Mittelstand. Sicher, wir dürfen die Bestzahlenden nicht vergraulen, genauso müssen wir aber auch den Unternehmen Sorge tragen.

Dennoch: Sie sind sich mit Beat Tinner in vielen Fragen einig. Warum soll das Volk Sie wählen und nicht ihn?

Beat Tinner kommt aus der Verwaltung, ich hatte immer auch einen Fuss in der Wirtschaft; als Gemeindepräsiden von Tübach bin ich nur zu 50 Prozent angestellt. Und ich bin in gewissen Fragen konsequenter. So lag in der letzten Session ein Antrag der SVP für eine Steuersenkung auf dem Tisch. Obwohl dies Beat Tinner auch stets fordert, wollte er davon nichts wissen.

Sie gelten als konsensfähig, moderat. Sind Sie das schwarze Schaf in der polternden SVP?

Überhaupt nicht. Ich fühle mich extrem wohl in der SVP. Ich war von Beginn weg überzeugt, dass sie der richtige Ort ist für mich. Ich gründete selber eine Ortspartei. Wenn ich jemals grössere Zweifel gehabt hätte, hätte ich mir eine andere Partei gesucht.

In welchen Fragen sind Sie Hard-core-SVPler?

Was heisst Hardcore-SVPler? Frei und sicher – diese beiden Schlagworte der Partei sind mir extrem wichtig. Jeder soll selber entscheiden, was er für richtig hält, und ich möchte mich wohl und frei bewegen können, ob in Tübach, in der Stadt St.Gallen oder anderswo.

Wo sind Sie mit Ihrer Partei uneins?

Aktuell bei der Kündigungsklausel der Begrenzungsinitiative. Wir brauchen bilaterale Verträge mit der EU, wir brauchen klare Handelsbeziehungen. Ohne geht es nicht. Auch die EU wird sich bewegen müssen, nicht nur die Schweiz. Aber, und da bin ich wieder ganz bei der Partei, es braucht keine Annäherung an die EU.

Esther Friedli war als Regierungskandidatin gesetzt. War Ihre Wahl in den Nationalrat eine Panne?

Ich sähe sie heute noch gerne in der Regierung.

Also eine Panne?

Ich habe ihre Wahl nach Bern nie ausgeschlossen.

Fühlen Sie sich als Lückenbüsser?

Überhaupt nicht.

Wenn es erneut nicht klappen sollte: Ziehen Sie sich dann aus der Politik zurück?

Ich werde sicher nicht in Warteposition gehen, bis sich eine nächste Möglichkeit für eine Kandidatur ergibt.

Das heisst, Sie würden sich beruflich neu orientieren?

Ja. Sicher nicht schwuppdiwupp von heute auf morgen. Aber über kurz oder lang würde ich meinen Weg dort suchen, wo ich herkomme – nämlich in der Wirtschaft.

 

Quelle: Interview im Tagblatt vom 20. Dezember 2019

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