Ein Wasserkraftwerk am Rhein bei Sargans sei juristisch unmöglich – wegen geschützter Trockenwiesen: Zu diesem Schluss kam der Kanton. Am Montag im Nationalrat drängten St.Galler Politikerinnen und Politiker auf eine Ausnahme im Gesetz. Sie stiessen auf grossen Widerstand.
Ein Wasserkraftwerk am Rhein bei Sargans? Unmöglich! Zu diesem Schluss kam das kantonale Bau- und Umweltdepartement im vergangenen April. Es erteilte damit der Forderung von FDP, Mitte und SVP eine Absage. Die bürgerlichen Parteien hatten vor dem Hintergrund einer drohenden Strommangellage darauf gedrängt, dass der Kanton die jahrzehntealte Idee eines Rheinkraftwerks im Gebiet Ellhorn erneut prüft.
Der Bau eines Kraftwerks komme dort aber aus juristischen Gründen nicht infrage, schrieb das Departement: Die Böschungen entlang des Rheins zwischen Bad Ragaz und Sennwald sind im Bundesinventar der Trockenwiesen und -weiden aufgeführt und geniessen darum als Biotope nationalen Schutz. Weitere Abklärungen seien hinfällig, hiess es beim Kanton.
Trockenwiesen anderswo ersetzen
Für die Bürgerlichen ist die Sache jedoch nicht vom Tisch. Sie versuchen dem Rheinkraftwerk doch noch eine Bresche zu schlagen – im Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien, das derzeit im Parlament beraten wird.
Nationalrat Nicolo Paganini (Mitte/SG) stellte in der Umwelt- und Energiekommission (Urek) einen Antrag, der den Bau eines solchen Kraftwerks auch im Gebiet geschützter Trockenwiesen erlauben würde – wenn für diese Wiesen anderswo Ersatz geschaffen wird «und aus dem Gesamtprojekt gesichert ein ökologischer Mehrwert entsteht», wie es im Entwurf heisst. Der Antrag war mit den anderen St.Galler Kommissionsmitgliedern Susanne Vincenz (FDP) und Mike Egger (SVP) abgesprochen, zu den weiteren Unterstützern gehört auch der Thurgauer Manuel Strupler (SVP).
In der Debatte am Montag im Nationalrat legte Paganini offen, dass sein Antrag von der St.Galler Rheinkraftwerk-Idee inspiriert sei. Es sei gerechtfertigt, für den Kraftwerkbau im Bereich von Trockenwiesen eine Ausnahme zu machen. Schliesslich seien das keine Hochmoore, die über Jahrtausende entstanden seien. «Die Trockenwiesen am Rheindamm sind weniger als hundert Jahre alt.» Ersatz zu schaffen, sei darum möglich. Und auch dann seien die ökologischen Hürden für ein Kraftwerkprojekt noch sehr hoch.
«Gravierende Folgen für die Bauern»
Die St.Galler Grünen sowie die Umweltverbände beidseits des Rheins hatten sich schon früh dagegen gewehrt, dass die Rheinkraftwerk-Idee erneut geprüft wird. Sie äusserten Bedenken wegen der Umwelt und des Grundwassers, zudem hinterfragten sie, ob die Wassermengen im Rhein für ein Kraftwerk überhaupt ausreichen würden. Ohnehin sei die Wasserkraft im Kanton St.Gallen zum grössten Teil bereits ausgenutzt, demgegenüber habe etwa der Solarausbau ein viel höheres Potenzial.
Die Grünen halten erst recht nichts von einer Ausnahmeregelung bei Trockenwiesen, wie der Thurgauer Nationalrat Kurt Egger – auch er ist Mitglied der Urek – am Montag vor der Debatte sagte. «Das ist typisch: Wegen eines Einzelfalls will man das Gesetz ändern», kritisiert er. «Wenn wir dem zustimmen, hätte das gravierende Folgen auch für die Landwirtschaft. Trockenwiesen sind teilweise landwirtschaftlich genutzt, es ginge Kulturlandfläche verloren.»
Schweizweite Ausnahme nur wegen des Rheins?
Bastien Girod (Grüne/ZH) räumte in der Ratsdebatte ein, die Formulierung mit dem ökologischen Mehrwert klinge gut, der Vorschlag wirke aber nicht ausgereift und es sei zu spät, ihn jetzt noch ins Gesetz einzubringen. Dabei blieb er auch, als Mike Egger (SVP/SG) und Michael Götte (SVP/SG) nachhakten.
Der Ostschweizer Antrag hatte auch in den Reihen der Bürgerlichen seine Gegner: Stefan Müller-Altermatt (Mitte/SO) sagte, es sei schon fraglich, ob man «nur wegen des Rheindamms» eine schweizweite Ausnahme für Trockenwiesen einführen wolle. Mitte- und FDP-Fraktion waren gespalten. Martin Bäumle (GLP/ZH) warnte vor einem «falschen Anreiz», der Tür und Tor öffne für Konflikte in Schutzgebieten im ganzen Land. Auch die SP wehrte sich dagegen.
Am Ende scheiterte der Antrag: Der Nationalrat lehnte ihn mit 109 zu 79 Stimmen ab.