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Berufs- und Allgemeinbildung durch raschen Wandel gefordert

„Wir brauchen beides – und der schnelle Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft sorgt für weitere Herausforderungen“ lautet das Fazit der Veranstaltung zum Thema „Lehre oder Gymi – was braucht die Schweiz?“ im Wiler Stadtsaal vom 2. Oktober 2023.

 

Nach der Begrüssung durch Marc Flückiger vom organisierenden Verband Wirtschaft Region Wil (WRW) gab Bildungsökonom Prof. Dr. Stefan Wolter, Universität Bern, einen Einblick in die aktuellen Forschungsergebnisse betreffend Berufs- und Allgemeinbildung. Anschliessend diskutierten er und die weiteren Podiumsteilnehmer Dr. Brigitte Bailer (FDP), Ständerat Beni Würth (Die Mitte) und Nationalrat Michael Götte (SVP) – moderiert vom KV 4.0-Lernenden Mauro Bachmann – über das Thema.

 

Prof. Dr. Stefan Wolter präsentierte die aktuellen Forschungsergebnisse. (Bild: jg)

Die Situation in der Schweiz: Es gibt rund 240 verschiedenen Berufe und jedes Jahr beginnen rund 19’000 neue Gymnasiasten und rund 60’000 neue Lernende ihre Ausbildung.

 

Die wachsende Bedeutung der tertiären Bildung
Wichtige Entwicklungen? Gemäss Prof. Dr. Stefan Wolter ist insbesondere die Entwicklung im Bereich der Weiterbildung bemerkenswert. Dank der steigenden Anzahl AbsolventInnen einer Berufsmaturität ist der Anteil der Beschäftigten mit einem tertiären Bildungsabschluss auf 55% angestiegen. Prof. Dr. Wolter: «Der Wert der Lehre ist nicht nur die Lehre selbst, sondern auch der Wert als Ticket für den weiteren Bildungs- und Berufsweg.» Zudem zeige die Forschung, dass Absolventen einer Lehre betreffend „GRIT“ (Mischung aus Leidenschaft und Ausdauer) mehrheitlich besser abschneiden. Sie seien es eher gewohnt, nach Rückschlägen wieder aufzustehen und für eine Sache zu kämpfen.

 

Die Lehre ist näher am Markt als ein Studium
Im Rahmen der Podiumsdiskussion wurden zahlreiche Aspekte beleuchtet. Beni Würth, Michael Götte und Dr. Brigitte Bailer konnten alle aus dem eigenen, reichen Erfahrungsschatz berichten. Ständerat Beni Würth erläuterte, dass er in seiner Familie beide Ausbildungswege vertreten habe und dass er beide sehr gut finde.
In der Diskussion kam weiter zum Ausdruck, dass man als Vorteil der Berufslehre die laufende Anpassung an die Realität des Arbeitsmarkts sehe. Lehrstellen würden nur für solche Berufe angeboten, für die auch effektiv eine Nachfrage bestehe. Bei einigen Studienrichtungen wie beispielsweise im Fach Geschichte sei dies nur beschränkt gegeben.

 

Lehre auch für gute SchülerInnen attraktiv – Ausbildungsbetriebe vor Herausforderungen
Die Podiumsteilnehmenden waren sich einig, dass insbesondere der wirtschaftliche und gesellschaftliche Wandel auch grosse Herausforderungen schaffe, sowohl für die berufliche als auch für die gymnasiale Ausbildung. Stark gefordert seien die Lehrbetriebe, die im Zeichen der Digitalisierung ihre Ausbildungsangebote schneller anpassen müssen als in der Vergangenheit. Gerade in der Ostschweiz sei es jedoch so, dass sich auch Jugendliche mit guten und sehr guten Schulnoten für eine Lehre entscheiden.
Es gibt zudem auch regionale, bzw. kulturelle Unterschiede. Gemäss Prof. Dr. Wolter werde in den Westschweizer Kantonen der Weg ins Gymnasium auch bei einer minimalen Chance gewagt, während in der Ostschweiz bei unsicherem Ausgang die Lehre von vornherein bevorzugt werde.

 

Lebhafte Diskussion
In der anschliessenden Diskussion mit dem Publikum wurden im Vorfeld erwähnte Themen hinterfragt und auch neue angesprochen. Dazu gehörten die Allgemeinbildung, die bei der Lehre nicht zu kurz kommen dürfe, oder die Lohntransparenz, die nach der Meinung von Dr. Brigitte Bailer aufzeigen würde, dass der Weg über die Lehre und die Fachhochschule auch finanziell attraktiv sein könne. Michael Götte, seines Zeichens auch Gemeindepräsident von Tübach, erwähnte, dass man in der Ansprache von künftigen Lernenden auch neue Wege gehen müsse. Seine Gemeindeverwaltung habe kürzlich via Tik-Tok-Werbung eine Lehrstelle besetzen können.
Vertreter aus der Wirtschaft forderten generell, dass das Image der Berufsbildung gepflegt werden müsse. Oft fehle es an Wertschätzung und Anerkennung. Diesen Mangel gelte es zu beheben, damit die Balance der Ausbildungswege gehalten werden könne.

 

Originalartikel: st.gallen24.ch, 03.10.2023 (Jürg Grau)

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