Trotz Coronavirus-Krise wird der zweite Wahlgang für die St. Galler Regierung am 19. April stattfinden. Das stösst nicht bei allen auf Verständnis. Klar ist, dass sich das Virus auf den Wahlkampf auswirkt.
Das Coronavirus regiert aktuell nicht nur die Nachrichtenlage, sondern auch die Politik. Die Abstimmung über die Begrenzungsinitiative der SVP vom 17. Mai hat der Bundesrat verschoben, die Aprilsession des Kantonsrats ist abgesagt.
«Keine Zeit für Wahlkampf»
Festgehalten wird aber am zweiten Wahlgang für die St. Galler Regierung am 19. April. Um die zwei noch offenen Sitze kämpfen Michael Götte (SVP), Beat Tinner (FDP) und Laura Bucher (SP). Den Terminentscheid hat die amtierende Regierung gefällt (Ausgabe von gestern).
Die Entscheidung stösst nicht bei allen auf Verständnis. «Wir beurteilen dies sehr kritisch», sagte FDP-Geschäftsführer Christoph Graf dem «St. Galler Tagblatt. «Wir befürchten, dass die Stimmbeteiligung aufgrund der Situation mit dem Coronavirus äusserst tief sein wird und das Ergebnis entsprechend zufällig.»
«Ich bin gar nicht glücklich mit dem Entscheid», sagt auch SVP-Kandidat Michael Götte auf Anfrage der «Linth-Zeitung». Auch wenn er das Argument nachvollziehen könne, dass gerade in Krisenzeiten eine vollständige Regierung wichtig sei. An Wahlkampf sei für ihn im Moment aber nicht zu denken. Er sei wegen des Coronavirus im regionalen Bevölkerungsschutz stark eingebunden, sagt der Gemeindepräsident von Tübach. Die Krise beschäftige ihn auch in seiner Funktion bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) und im Militär. An Wahlkampfaktionen wie Podien, Verteilaktionen und Betriebsbesichtigungen sei in der aktuellen Lage nicht zu denken. Glücklicherweise habe er Plakate und Inserate bereits organisiert. «Ob ich noch Weiteres zustande bringe, wird sich zeigen.»
Verschiebung brächte Fragen
Auf Regierungslinie ist die SP. «Es ist wichtig, dass diese Wahl stattfinden kann», lässt sich Parteipräsident Max Lemmenmeier im «Tagblatt» zitieren. «Die Regierung muss vollständig sein. Gerade auch wegen der erheblichen Probleme im Zusammenhang mit dem Coronavirus, die im Kanton zu bewältigen sind.» Statt Standaktionen und Werbung im ÖV will die SP nun stärker klassische Medien und digitale Kanäle für Wahlwerbung nutzen.
«Es hätte sich die Frage gestellt, ob sich die Regierung konstituieren kann.» Benedikt Würth, St. Galler Regierungsrat
Dass die Regierung ab Anfang Juni ohne Unterbruch vollständig besetzt ist, war gemäss dem abtretenden Regierungsrat Beni Würth (CVP) der Hauptgrund, warum sich das aktuelle Gremium für die Beibehaltung des Wahltermins entschied. «Es hätte sich sonst die Frage gestellt, ob sich die neue Regierung überhaupt konstituieren kann», sagt Würth. Sprich, ob sie die Departemente trotz zwei fehlender Mitglieder hätte verteilen können. Die Einschränkungen im Wahlkampf sah die Regierung als weniger gewichtig an, zumal es um einen zweiten Wahlgang geht. «Da ist die Meinungsbildung bereits weit fortgeschritten», sagt Würth.
Tinner gibt sich optimistisch
Weniger pessimistisch als der FDP-Geschäftsführer Graf ist Kandidat Beat Tinner. Über digitale Kanäle und die klassischen Medien sei es durchaus möglich, einen Wahlkampf zu bestreiten. «Vielleicht haben die Wähler nun auch mehr Zeit, Medien zu konsumieren und sich mit den Wahlen zu beschäftigen», hofft Tinner. Dass nun wirtschaftliche Themen in den Fokus rücken, sei sicher kein Nachteil für die FDP. Tinner trat gestern bereits mit Fragen an die Regierung zur ökonomischen Bewältigung der Corona-Krise auf den Plan.
Quelle: Die Südostschweiz vom 19. März 2020.