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Wohnungsmarkt: In der Ostschweiz gibts viele leere Wohnungen

In sechs Ostschweizer Gemeinden ist keine einzige Wohnung mehr frei – doch sie sind die Ausnahme

Die Wohnungen in der Schweiz werden immer knapper. Nur 1,15 Prozent stehen leer. In der Ostschweiz sind die Zustände für Wohnungssuchende vergleichsweise paradiesisch. Aber auch das nicht in allen Gemeinden.

Wer gerne nach Gonten umziehen möchte, hat Pech gehabt: Keine einzige Wohnung im innerrhodischen Dorf steht gemäss der aktuellsten Statistik des Bundes von dieser Woche leer. Und das schon das zweite Jahr in Folge. Für den regierenden Hauptmann Urban Fässler ein positives Zeichen, das die Attraktivität von Gonten bestätige. «Wohnungen, die frei werden, gehen schnell wieder weg.»

 

Neben Gonten weisen nur fünf weitere Ostschweizer Gemeinden keine Leerstände aus. Es sind dies das sankt-gallische Tübach sowie die Thurgauer Gemeinden Dozwil, Stettfurt, Uesslingen-Buch und Wuppenau. Auch hier empfinden die Gemeindepräsidenten das als Beweis der Attraktivität. Markus Bürgi sagt beispielsweise, dass «Stettfurt sicherlich eine attraktive Wohngemeinde ist – sie ist schön gelegen und nahe am Autobahnanschluss. Die ländlichen Strukturen mit einer eigenen Primarschule helfen diesbezüglich sicherlich auch.»

 

Schulstrukturen als Argument für die Gemeinde
Ähnlich sieht es Michael Götte für Tübach: «Wir bieten die Attraktivität, die man in einer Agglomerationsgemeinde sucht: Angefangen bei Tagesstrukturen für Kinder über ein kulturelles Angebot bis hin zu guten ÖV-Verbindungen nach St.Gallen.»

 

Gerade gute Schulstrukturen werden mehrfach erwähnt. Der Dozwiler Gemeindepräsident Bruno Germann sagt: «Die Strukturen im Dorf sind optimal, vor allem auch für Familien.» Er erwähnt das Vorhandensein aller Stufen vom Kindergarten bis zur Sekundarschule. Auch Martin Imboden, Wuppenauer Gemeindepräsident, betont die Wichtigkeit der Schule. «Es sind vor allem zwei Fragen, die sich die Leute stellen: Wie gut ist die Schule? Und: Kann ich im Dorf einkaufen?»

 

Die Kehrseite der Attraktivität
Trotz aller positiven Aspekte: Nur von Vorteil ist ein tiefer Leerwohnungsbestand nicht. Einerseits für Mieterinnen und Mieter, die sich tendenziell mit höheren Mietpreisen arrangieren müssen.

 

Andererseits für die Gemeindeverantwortlichen. Für die Unterbringung von Asylsuchenden sei der Mangel an Wohnraum eine Herausforderung, sagt beispielsweise Götte. Er sei heute wahnsinnig froh, habe die Gemeinde vor einigen Jahren eigenen Wohnraum gekauft. «Ich wüsste nicht, wo ich sonst die Wohnungen herkriegen würde.» Auch der Wuppenauer Gemeindepräsident sagt, dass es harte Arbeit sei, diesen Wohnraum aufzutreiben.

 

Oft ist der tiefe Bestand an Leerwohnungen auch Ausdruck davon, dass wenig gebaut wird. Manchmal, weil kaum Bauland verfügbar ist, wie Germann für Dozwil bestätigt. Manchmal aber auch, weil Bauprojekte wegen Einsprachen blockiert sind, wie Götte für Tübach bemängelt.

 

In Stettfurt versucht man nun per Innenverdichtung einige Wohnungen zu generieren. Auch eine Wohnbaugenossenschaft wurde gegründet, die Mietwohnungen zur Verfügung stellen will. «Wir sind gespannt, ob und allenfalls wie sich dies auf den Leerbestand sowie die Zu- und Wegzüge auswirken wird», sagt Gemeindepräsident Bürgi. Ähnliches erhofft man sich in Wuppenau: «Das Potenzial der inneren Verdichtung ist hoch. Wir sehen jetzt schon, dass wir das auch ausschöpfen können», sagt Gemeindepräsident Imboden.

 

Mehr freie Wohnungen in der Ostschweiz
Die Probleme dieser Gemeinden sind indes in der Ostschweiz nicht die Regel. Insgesamt gehören die vier Kantone St.Gallen, Thurgau, Appenzell Ausserrhoden und Appenzell Innerrhoden nicht zu den Regionen mit den tiefsten Leerwohnungsziffern. Während schweizweit 1,15 Prozent aller Wohnungen am Stichtag 1. Juni 2023 leer standen, sind es hier deutlich mehr. Am nächsten beim schweizweiten Wert liegt Ausserrhoden mit 1,2 Prozent. Am weitesten weg liegt Innerrhoden mit 1,59 Prozent.

 

Auch in den vergangenen Jahren lagen meist alle Kantone der Ostschweiz über dem Schweizer Wert, wie die Entwicklung seit 1997 zeigt.

 

Die obige Grafik lässt allerdings deutlich erkennen: Die Anzahl leer stehender Wohnungen nimmt auch in der Ostschweiz ab. In etwa zwei Dritteln aller Gemeinden lässt sich das feststellen.

 

Zum anderen Drittel gehört Kradolf-Schönenberg. Hier stieg der Anteil leer stehender Wohnungen von 3,16 auf 3,96 Prozent. Damit weist die Thurgauer Gemeinde den höchsten Leerstand in der Ostschweiz auf. Sie löst Bettwiesen auf dieser Spitzenposition ab, das seine Leerwohnungsziffer in einem Jahr von 4,49 auf 1,81 senken konnte.

 

In Ostschweizer Städten gibt’s noch Wohnraum
Auffallend in der Ostschweiz ist, dass in urbanen Räumen noch viele Wohnungen zu finden sind. Das zeigt sich am Beispiel der Stadt St.Gallen mit einer Leerwohnungsziffer von 2,08: Von den zehn Schweizer Städten mit 50’000 oder mehr Einwohnerinnen und Einwohnern hat nur Lugano eine höhere Leerwohnungsziffer.

 

Selbst wenn man diese Ansicht auf die 50 Städte mit 20’000 oder mehr Einwohnerinnen und Einwohner ausweitet, kommen nur fünf Städte mit höherer Leerwohnungsziffer hinzu. Und eine davon liegt mit Wil ebenfalls in der Ostschweiz.

 

Sogar wenn man alle Gemeinden mit mindestens 10’000 Einwohnerinnen und Einwohner betrachtet, verändert sich das Bild kaum. Nur Altstätten im St.Galler Rheintal schafft es knapp in die vordere Hälfte. Eine Leerwohnungsziffer von 0,64 bedeutet Platz 73 von 153. Nur Buchs (Rang 93) schafft es ebenfalls noch in die ersten 100.

 

Einschränkend muss allerdings erwähnt werden, dass die Erfassung der Leerstände nicht über alle Zweifel erhaben ist. Das Bundesamt für Statistik lässt verschiedene Erhebungsmethoden zu. Oft basieren die Zahlen auf Meldungen von Vermieterinnen und Vermietern, wozu sie im Mitteilungsblatt der Gemeinde aufgerufen werden.

 

Zudem werden Wohnungen, die zwar leer stehen, aber nicht aktiv auf dem Markt angeboten werden, nicht erfasst. Im Fall von Gonten würde die Anzahl leer stehender Wohnungen von 0 auf 22 ansteigen, würde man auch solche Wohnungen in die Betrachtung einbeziehen. Und auch der Stichtag 1. Juni kann für eine Verzerrung sorgen. Die Gemeinde Uesslingen-Buch, die in der BFS-Statistik keine einzige leere Wohnung ausweist, meldet per 12. September gleich deren 63.

 

Originalartikel: Tagblatt, 13.09.2023 (Ruben Schönenberger)

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