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«Es zahlt sich aus, sich treu zu bleiben»

St.Galler SVP jubelt über ihren Wahlsieg – und das sagen die Verlierer

Der Kanton St.Gallen rutscht nach rechts: Die SVP baut ihren Vorsprung auf die übrigen Parteien aus. Das Bündnis von SP, Grünen und Grünliberalen vermag ihre vier Sitze nicht zu halten – die GLP verliert, nicht ganz überraschend, ihren Sitz.

Und dann liegen sie sich in den Armen. Machen Luftsprünge. Drücken sich. Und strahlen. Der Aufschrei der SVP bei Bekanntgabe des Schlussresultats ist nicht zu überbieten. Ein Siegesschrei. 34,5 – 5 – 70471. Es sind diese drei Zahlen, welche Parteispitze und Mitglieder jubeln lassen. Die Partei konnte bei der Parteistärke zulegen – auf 34,5 Prozent. Sie gewann den vor vier Jahren verlorenen fünften Sitz zurück. Und Mike Egger erzielt mit 70471 Stimmen das beste Resultat aller gewählten Nationalrätinnen und Nationalräten.

 

Eggers Strahlen wird nur noch von jenem von Parteipräsident Walter Gartmann übertroffen. Er hat doppelten Grund zur Freude. Seine Partei ist klare Siegerin. Und er holt sich den zurückeroberten fünften Sitz. «Beständigkeit zahlt sich aus», sagt Gartmann, auf den Sieg seiner Partei angesprochen. Anders als vor vier Jahren hätten die Themen diesmal der SVP in die Hände gespielt – Asylchaos, 10-Millionen-Schweiz, Energiemangellage. «Wir haben klare Botschaften.» Und: Es zahle sich eben aus, sich und den eigenen Themen treu zu bleiben und «sich nicht, je nach Grosswetterlage, windig und wendig zu zeigen».

 

Das Resultat sei Belohnung und Genugtuung zugleich, sagt Gartmann. Egger nickt. Die beiden hatten sich vehement dafür eingesetzt, nur mit einer Liste anzutreten – und parteiintern einige Kritik kassiert. «Jetzt geht die Arbeit erst richtig los», sagt Egger mit Blick nach Bern. «Nun müssen wir zeigen, dass wir gemeinsam mit den andern bürgerlichen Parteien Lösungen für die drängendsten Probleme entwickeln können, so auch gegen die explodierenden Krankenkassenprämien.»

 

Drei Ämter sei eines zu viel, sagt Neo-Nationalrat Gartmann. Er wird als Kantonsrat zurücktreten. Genauso wie Michael Götte. Der Tübacher Gemeindepräsident, der erst vor kurzem nach Bern nachgerutscht war, wirkte angespannt – doch dann stand seine Wiederwahl fest.

 

Die GLP ist die grosse Verliererin
Einen bitteren Ausgang nahmen die Nationalratswahlen für die Grünliberalen. Sie verloren ihren Sitz – an die SVP. Auch das neue links-grüne Bündnis von SP, Grünen und GLP konnte ihren Sitzverlust nicht verhindern. Die Partei musste ohne Bisherigen-Bonus antreten, ihr Nationalrat Thomas Brunner trat nicht mehr zur Wahl an. Hinzu kamen parteiinterne Querelen. Und schliesslich dürften ihr auch profilierte und bekannte Köpfe gefehlt haben. Die Partei, die vor vier Jahren – das Jahr der Klimawahl – einen Exploit erlebt hatte, fiel denn auch bei der Parteistärke auf 5,8 Prozent zurück.

 

«Es ist eine riesige Enttäuschung», sagt Parteipräsident Ramon Waser unumwunden. Sie hätten eine starke Liste gehabt und einen engagierten Wahlkampf geführt. Doch die Themenkonjunktur habe gegen die GLP gesprochen, Europa und Klima seien «nicht so gefragte Themen» gewesen. Doch Waser sagt auch selbstkritisch: Die Standpunkte der GLP dürften einigen nicht klar sein.

 

Der Nationalratssitz der Grünliberalen ist in St.Gallen seit Jahren ein Wackelsitz. 2011 gewann die Partei einen Sitz, 2015 verlor sie ihn, 2019 eroberte sie ihn zurück – und nun 2023 ist er wieder weg. Als ob er sich selber etwas trösten will, fügt Waser an: «Wir verloren unseren Sitz, aber eigentlich gibt es viel mehr Verlierer an diesem Sonntag.»

 

Verloren haben fast alle
Was der GLP-Präsident anspricht, zeigt sich beim Blick auf die Parteienstärken: Zugelegt hat einzig die SVP. Die SP konnte sich halten. FDP, Die Mitte (ehemals CVP und BDP) sowie Grüne verloren, wie eben auch die GLP.

 

Eine Zitterpartie war der Wahlnachmittag für die Freisinnigen. Ihr zweiter Sitz war zeitweilig verloren – in ihren kühnsten Träumen hatte die Partei gar von einem dritten Sitz geträumt. «Das bleibt nun unser Ziel für in vier Jahren», sagt Parteipräsident Raphael Frei. Ihre Nerven hätte zwischendurch verrückt gespielt, sagt Susanne Vincenz-Stauffacher. Die letzte halbe Stunde vor Verkündigung des Schlussergebnisses habe sie sich in den nahen Klostergarten zurückgezogen und auf einer Bank über das Leben sinniert. Dieses wird zumindest politisch nun wie bisher weitergehen: Die Abtwilerin wird auch künftig zusammen mit Marcel Dobler den St.Galler Freisinn im Nationalrat vertreten.

 

Die SP konnte von aktuellen Themen wie hohe Mieten, hohe Krankenkassenprämien, Teuerung nicht profitieren – aber ihre Parteistärke und ihre beiden Sitze halten. Claudia Friedl und Barbara Gysi werden auch künftig die Partei im Nationalrat vertreten. Doch ihre Freude ist getrübt. So sagt Friedl: «Mir tut der Rechtsrutsch leid. Soziale Anliegen werden es in den nächsten Jahren enorm schwer haben.»

 

Dem schliesst sich Franziska Ryser an: «Der Rechtsrutsch im Kanton St.Gallen ist ein schlechtes Zeichen fürs Klima und für die Gleichstellung.» Die Nationalrätin der Grünen wurde souverän wieder gewählt. Sie musste einzig die fünf SVP-Nationalräte (Egger, Reimann, Büchel, Götte, Gartmann) und Mitte-Nationalrat und Bauernpräsident Markus Ritter an sich vorbeiziehen lassen.

 

Nicht nach Plan lief es der Mitte. Sie hatte einen dritten Sitz angestrebt. «Das wäre die Krönung gewesen», sagt Präsidentin Franziska Steiner-Kaufmann. «Doch wir sind stabil.» Nicolo Paganini dürfte den Wahlsonntag kaum so rasch vergessen: Er erzielte das schlechteste Resultat aller Gewählten.

 

Insgesamt ändert sich das Parteienranking nicht: Die SVP zieht stärker davon, dahinter folgen Mitte, FDP, SP, Grüne, GLP – wie vor vier Jahren. Gleich dahinter folgt die Gruppierung Aufrecht (1,5 Prozent Parteistärke) und erzielt damit einen kleinen Achtungserfolg.

 

Originalartikel: Tagblatt, 22.10.2023 (Regula Weik)

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