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Plant Regierungsrat Beat Tinner eine Kehrtwende in der St.Galler Tourismuspolitik? SVP und Mitte befürchten Nachteile für die Branche

Das St.Galler Volkswirtschaftsdepartement gleist die Finanzierung des Tourismus neu auf. Bürgerliche Politiker befürchten, dass die Branche dabei ins Hintertreffen gerät.

 

Der Tourismus im Kanton St.Gallen erholt sich nach pandemiebedingt schwierigen Zeiten wieder: Die Übernachtungszahlen zumindest sehen besser aus als auch schon. Wie es längerfristig weitergehen soll – insbesondere mit der finanziellen Förderung der Branche – ist momentan aber umstritten. Volkswirtschaftschef Beat Tinner (FDP) hat schon früh angekündigt, die Tourismusfinanzierung müsse neu geregelt werden. Diese Arbeiten sind jetzt im Gang. Es geht dabei um Basisbeiträge für die vier Tourismusorganisationen St.Gallen-Bodensee, Toggenburg, Heidiland und Rapperswil-Zürichsee, aber auch für konkrete touristische Projekte.

 

Dieses Geld stammt zu einem wesentlichen Teil aus Abgaben, welche die Branche selber leistet: Die Restaurants zahlen eine Gastwirtschaftsabgabe an den Kanton, die Hotels eine Beherbergungsabgabe, das Casino Bad Ragaz eine Kursaalabgabe. Allerdings: Für 2020 und 2021 wurden die Abgaben bei Gastro und Hotellerie wegen Corona ausgesetzt. Im Tourismusfonds herrscht Ebbe.

 

Damanns Vermächtnis in Frage gestellt

Er wollte mehr Selbstverantwortung in der Tourismusbranche und rief darum den Tourismusrat ins Leben: Bruno Damann, früherer St.Galler Volkswirtschaftschef. Bild: Benjamin Manser

Die Verteilung der Finanzbeiträge aus diesem Fonds regelt die Branche weitgehend selber: Tinners Vorgänger Bruno Damann hat einen Tourismusrat ins Leben gerufen, in dem die vier Tourismusorganisationen sowie Gastro St.Gallen, Hotellerie Ostschweiz und das Casino Bad Ragaz vertreten sind. Der Tourismusrat entscheidet sowohl über die Sockelbeiträge für die Tourismusorganisationen als auch über Förderbeiträge für touristische Projekte. Das Gremium gibt es erst seit 2019. Das Ziel damals: mehr Selbstbestimmung und mehr überregionale Zusammenarbeit im St.Galler Tourismus.

 

Jetzt aber befürchten manche Politiker, dass das Pendel in die Gegenseite ausschlagen könnte – und künftig der Staat stärker bestimmt, wo wie viel Geld in den Tourismus fliesst. Die Mitte-EVP-Fraktion und mehrere SVP-Vertreter haben Vorstösse im Kantonsparlament eingereicht.

 

Im Volkswirtschaftsdepartement seien Bestrebungen im Gang, die «bewährte Organisation» aufzulösen, heisst es in den Interpellationen. Der Kanton wolle künftig auf die Gastro- und Beherbergungsabgabe verzichten und die Kursaalabgabe direkt in die Staatsrechnung fliessen lassen. Das Geld für den Tourismus müsse also künftig über das staatliche Budget der Standortförderung beschafft werden. Über die Verteilung der Gelder werde dann jeweils der Kanton entscheiden: «Das bisher bewährte System mit Verantwortung und Einbezug der Branche wird abgelöst durch eine reine staatliche Lösung.»

 

Verliert die Branche Kompetenzen an den Staat?
Finanzierung über das Standortförderungsprogramm – das bedeutet: Der Tourismus stünde bei der Geldverteilung in Konkurrenz zu anderen Wirtschaftszweigen. Die Tourismusbranche, so schreiben die Interpellanten weiter, befürchte nicht ganz zu Unrecht, dass sie dabei zu kurz kommen werde. Entscheiden über diese Beiträge werde der Kantonsrat, und dieser sei «in Anbetracht der kritischen Finanzlage des Kantons» nicht besonders freigiebig.

 

Der neu geschaffene Tourismusrat sei in der Branche gut akzeptiert, betonen Mitte und SVP. Auch seien die Gastwirtschafts- und Beherbergungsabgaben unbestritten. Die Parteien wollen darum vor allen Dingen wissen, warum der Kanton die aktuelle, «bewährte» Form der Tourismusfinanzierung und deren Abwicklung via Tourismusrat abschaffen wolle.

 

Götte: «Man sollte die Bedeutung des Tourismus nicht unterschätzen»

Michael Götte, St.Galler SVP-Kantonsrat.
Bild: Ralph Ribi

Michael Götte, Erstunterzeichner des SVP-Vorstosses, anerkennt, dass die Mittel im Tourismusfonds knapp geworden sind und der Kanton Handlungsbedarf sieht. Jedoch: «Im Grundsatz bin ich der Ansicht: Wenn eine Branche etwas selber machen kann, soll sie es selber machen.»

 

Der Schaffung des Tourismusrats seien jahrelange Diskussionen vorangegangen – und jetzt zeichne sich bereits wieder eine Kehrtwende ab, hin zu einer eher staatlichen Lösung. «Es war darum wichtig, dass wir diese kritischen Fragen frühzeitig stellen, während das neue Gesetz noch in Arbeit ist.» Gesamtwirtschaftlich gehöre der Tourismus vielleicht nicht zu den grössten Schwergewichten im Kanton St.Gallen – dennoch habe er eine Bedeutung, die man auch aus Sicht der Standortförderung nicht unterschätzen dürfe.

 

Tinner kritisierte administrativen Aufwand
Volkswirtschaftschef Beat Tinner sagt auf Anfrage, er könne aktuell keine Stellung zu diesem Geschäft nehmen. Voraussichtlich werde noch in diesem Jahr ein Entwurf in die Vernehmlassung gehen. Ob die Gastwirtschafts- und Beherbergungsabgaben tatsächlich gestrichen werden sollen und was die Neuregelung für die Rolle des Tourismusrates bedeuten würde, bleibt offen. Vor einem Jahr, anlässlich seiner 100-Tage-Bilanz als Regierungsrat, hatte Tinner allerdings bereits angedeutet, die Erhebung der Abgaben sei «aufwendig und nicht mehr zeitgemäss».

 

Für die Interpellanten ist klar: Der Kanton will sich selber administrativ entlasten. Sie schlagen darum vor, dass sich neu die Branche selber um das Einziehen der Gastwirtschafts- und Beherbergungsabgaben kümmern könnte.

 

Tourismusrat hält sich zurück – Verhandlungen laufen

Markus Isenrich, Präsident Tourismusrat St.Gallen. Bild: Benjamin Manser

Markus Isenrich, Präsident des Tourismusrats, möchte sich aktuell nicht zum Thema äussern, wie er auf Anfrage sagt: «Der Tourismusrat verzichtet auf eine Stellungnahme zu laufenden politischen Überlegungen.»

 

Auch andere Branchenvertreter sind zurückhaltend. Dem Vernehmen nach hat aber vor kurzem ein Gespräch mit dem Kanton über die neue Tourismusfinanzierung stattgefunden, das aus Sicht der Branche konstruktiv verlaufen sei. Die Positionen seien nicht allzu weit voneinander entfernt.

 

Quelle: Tagblatt, Adrian Vögele, 29. Oktober 2021

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