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Tübach sichert seinen Bürgern eine Einkaufsmöglichkeit Mitten im Dorf – ein Grossverteiler signalisiert bereits Interesse

Mit 93 zu 52 Stimmen sagt die ausserordentliche Bürgerversammlung deutlich Ja. Die Gemeinde Tübach darf nun knapp drei Millionen Franken investieren und eine Gewerbefläche in der Zentrumsüberbauung «Im Bumert» erwerben. Der Abstimmung geht eine lebhafte Diskussion voraus, wobei negative Stimmen dominieren.

 

Geduldig stehen Frauen und Männer am Montagabend in der Schlange vor der Mehrzweckhalle Tübach. Akribisch notieren Angestellte der Gemeindekanzlei die Namen der Eintrittswilligen und weisen jedem einen fixen Sitzplatz zu. Trotz des aufwendigen Prozederes beginnt die ausserordentliche Bürgerversammlung mit nur wenigen Minuten Verspätung.

 

Der Gemeinderat war sich im Vorfeld nicht sicher, ob aufgrund der erschwerten Bedingungen genügend Stimmbürger erscheinen würden. «Wären nur 20 gekommen, hätten wir heute nicht über dieses für Tübachs Zukunft wichtige Projekt abstimmen lassen», sagt denn auch Gemeindepräsident Michael Götte im Laufe des Abends. Die Sorge des Gemeinderates ist allerdings unbegründet. Nicht weniger als 157 Tübacherinnen und Tübacher sind am Schluss anwesend. Das sind mit 19 Prozent der Stimmberechtigten sogar etwas mehr, als jeweils bei ordentlichen Bürgerversammlungen anwesend sind.

 

Jetzt diskutieren, später schriftlich abstimmen
Trotzdem stellt eine Stimmbürgerin zu Beginn den Ordnungsantrag, über das Geschäft nicht am Montagabend, sondern an der Urne schriftlich abstimmen zu lassen. Gegenstand der Abstimmung ist der Antrag eines Kredits für den Kauf einer 535 Quadratmeter grossen Gewerbefläche in der neuen Überbauung Zentrumswiese. Dort sollen unter anderem ein neuer Dorfladen und ein Café untergebracht werden.

 

Kurt von Mentlen, Präsident der Geschäftsprüfungskommission, plädiert in seinem Votum dafür, über das Geschäft an der Versammlung abstimmen zu lassen. Wenn die Möglichkeit nicht genutzt werde, über derartige Projekte an Bürgerversammlungen zu diskutieren, dann stelle sich die Frage, über welche Geschäfte die Bürgerversammlung überhaupt noch befinden solle.

 

Ordnungsantrag bleibt letztlich chancenlos
Es könne ja nun ausgiebig über das Geschäft diskutiert werden, die Abstimmung könne aber dennoch an der Urne erfolgen, fordert eine andere Votantin. Die Stimmberechtigten halten wenig von einer schriftlichen Abstimmung. Der Ordnungsantrag bleibt mit nur zwölf Stimmen chancenlos.

 

Die Möglichkeit einer Diskussion wird hingegen rege genutzt. Jungpolitiker Raphael Locher sagt, wenn er Sätze höre wie «bei der aktuellen Finanzlage bekommen wir das Geld beinahe gratis», dann zeuge dies nicht von einem guten Kostenbewusstsein des Gemeinderats. Herausforderung für die jungen Tübacher werde es sein, die gemachten Schulden zurückzahlen zu müssen. Er bitte die Anwesenden daher, den Kreditantrag abzulehnen. Michael Götte erinnert daran, Tübach sei eine von nur wenigen Gemeinden, die keine Schulden habe.

 

«Wir sind finanziell extrem gut aufgestellt, daher können wir das Geschäft mit gutem Gewissen realisieren.»

Während ein Stimmbürger anzweifelt, dass ein Dorfladen überhaupt gewinnbringend geführt werden kann, bemängeln gleich mehrere Votanten, dass der Gemeinderat mit dem Kreditantrag kein konkretes Konzept, sondern nur drei Varianten präsentiere.

 

Götte, dessen Sorgenfalten mit jedem negativen Votum grösser werden, muss gleich mehrmals darauf hinweisen, dass der Gemeinderat erst dann Pläne fixieren kann, wenn die Gemeinde Eigentümer der Gewerbefläche sei. Er könne aber zumindest so viel sagen, dass ein Grossmieter Interesse an einer Dauermiete habe. Dieser betreibe Nahversorgungsläden in der ganzen Schweiz.

 

Die Chance nutzen, die sich Tübach bietet
Sie habe eigentlich nicht ans Mikrofon treten wollen, sagt eine junge Frau. Doch sie habe bisher leider nur kritische Stimmen gehört. Sie hingegen finde das Projekt cool und finde es grossartig, dass die Gemeinde in die Zukunft von Tübach investieren wolle. Eine andere Votantin pflichtet ihr bei und mahnt, die Chance, die sich nun biete, auch zu ergreifen.

 

Nach über einer Stunde kommt es zur Abstimmung. Mit 93 zu 52 Stimmen wird der Kredit über 2997000 Franken abgesegnet. Ausserdem wird für die Nutzungsplanung ein Planungskredit von 50000 Franken gesprochen. «Ich war wirklich froh über die beiden positiven Voten am Schluss», räumt Gemeindepräsident Michael Götte nach der Abstimmung ein. Es sei normal, dass sich vor allem Gegner eines Projektes zu Wort melden würden. Trotzdem habe er seine Zuversicht während der Versammlung nicht verloren. Im Gegenteil, er freue sich, dass eine derart lebhafte Diskussion entstanden sei.

 

Quelle: Tagblatt, Rudolf Hirtl, 20.10.2020

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