Skip to content

Bis zum Herbst Gemeindepräsident, Kantonsrat, Nationalrat und Familienvater

Michael Götte macht den vierfachen Spagat

 

Kaum ist er in den Nationalrat nachgerutscht, schon muss sich Tübachs Gemeindepräsident Michael Götte Gedanken um die Wiederwahl machen. Eine Auslegeordnung seiner politischen Engagements will er erst nach den Erneuerungswahlen im Oktober machen. Was er dann abgeben könnte.

 

Gemeindepräsident und Kantonsrat ist er schon, Ende Mai wird Michael Götte (SVP) in Bern als Nationalrat angelobt. Ausser Barbara Keller-Inhelder, zweite Ersatzspielerin, überlegt es sich doch noch anders. Dass sie ihre Haltung ändert, nicht in den Nationalrat zurückkehren zu wollen, scheint eher gering, dennoch gibt sich Götte nach wie vor dezent vorsichtig.

 

Bis Sonntagmittag, als der Sieg von Esther Friedli feststand, wies er Gratulationen freundlich, aber bestimmt zurück, obwohl bereits vier Tage vor der Wahl bekannt wurde, dass Thomas Müller und Barbara Keller-Inhelder nicht in den Nationalrat nachrutschen wollen.

 

«Ich hatte schon ein gutes Gefühl» räumt Götte ein, erinnert aber gleichzeitig an die damalige Ständeratswahl mit Toni Brunner, wo es mit der Wahl von Paul Rechsteiner eine Überraschung gegeben habe. Auch er selbst sei nach einem ersten Wahlgang zum Regierungsrat bereits einmal an der Spitze gestanden und am Schluss doch nur Dritter gewesen. Aufgrund dieser selbst gemachten Erfahrungen, übe er sich daher in einer gesunden Zurückhaltung.

 

Esther Friedli gratulierte als Erste
Den Wahlsonntag hat er als ein Wechselbad der Gefühle erlebt. Zuerst habe er von den Ergebnissen in Tübach (62,6%) und Steinach (57,4%) erfahren. Aufgrund der Prognosen hatte er sich dort ein noch deutlicheres Resultat für Esther Friedli erwartet. Ausserdem hatte er grossen Respekt vor dem noch ausstehenden Ergebnis in der Stadt St. Gallen.

 

Als am Mittag aber nach 62 ausgezählten Gemeinden der Erfolg von Esther Friedli nicht mehr infrage stand, da hätten bei ihm erstmals die positiven Gefühle überwogen. Esther Friedli war es dann auch, die ihm als Erste zur «Wahl» in den Nationalrat gratulierte. Sie war beileibe nicht die Einzige, denn im Laufe des Sonntags haben ihm auf verschiedenen sozialen Kanälen über 1000 Menschen gratuliert. Einen Moment innehalten konnte er, als das Jodelchörli im Haus der Freiheit gesungen hat. Da sei ihm auch bewusst geworden, was nun auf ihn zukomme.

 

Zumindest bis zu den Gesamterneuerungswahl des Nationalrates vom 22. Oktober wird es eine Dreifachbelastung sein. Sein Pensum als Gemeindepräsident beträgt 50 Prozent, jenes bei der Industrie und Handelskammer 30 Prozent. Bis zur Wahl im Herbst werde er keine Grundsatzentscheidungen treffen, sondern seine Aufgaben im bisherigen Rahmen weiterführen, was bei den Juni- und Septembersessionen durchaus Überschneidungen geben könnte.

 

Sollte er im Herbst die Wiederwahl in den Nationalrat schaffen, wobei er dann als «Bisheriger» eine gute Ausgangslage hat, sei dies der richtige Moment, um eine Auslegeordnung bezüglich seiner Aufgaben zu machen. Heisst konkret: Auf die Dezembersession hin würde er seinen Rücktritt im Kantonsrat St.Gallen einreichen. «Weil es ein Ding der Unmöglichkeit ist, beides längerfristig seriös zu machen», so Götte. Nachrutschen in die Pfalz würde übrigens der Goldacher Gemeinderat Martin Hochreutener.

 

Globi und die Demokratie
Der Rücktritt als Gemeindepräsident von Tübach sei heute und morgen noch kein Thema. Dafür habe er immer noch viel zu viel Freude an dieser Aufgabe. Ausserdem könne er sich auf ein sehr starkes Team im Gemeindehaus verlassen.

 

Götte ist Vater von drei Kindern, elf, neun und acht Jahre alt. Nach einer Wiederwahl wäre es für ihn wichtig, sagt er, sich so zu organisieren, dass ein Tag am Wochenende klar der Familie gehört. Von seiner Frau Andrea und seinen Kindern habe er zweihundertprozentigen Support, was schlicht genial sei. Als die Sache mit dem Nationalrat konkreter geworden sei, habe seine Frau mit den Kindern das Buch «Globi und die Demokratie» angeschaut, um sie mit der künftigen Situation vertraut zu machen.

 

Und was hat er sich für Bern vorgenommen? Er sagt, er könne mit der Linie der Partei gut leben, ansonsten wäre er ja nicht schon seit 20 Jahren Mitglied, auch wenn es Themen gebe, die er zum Teil etwas differenzierter betrachte. Besonders am Herzen liege ihm die Wirtschaft, egal ob Gewerbe oder Industrie. Nahe liege ihm auch die Sicherheitspolitik. An seinen bekannten Positionen aus Wahlkämpfen und im Kantonsparlament wolle er auch in Bern festhalten. Wichtig sei ihm auch ein gutes Umfeld für den Sport zu schaffen, im Amateur- und auch im Profibereich.

 

Vereidigung nach dem Pfingstwochenende
Die Schweiz müsse ein verlässlicher Handelspartner sein, explizit auch hier in der Ostschweiz, wo es besonders wichtig sei, mit Österreich und Deutschland gute Handelsbeziehungen zu pflegen. Zudem setzte er sich seit Beginn seiner politischen Karriere für eine starke Ostschweiz ein. So fände er beispielsweise den Spruch, dass die Schweiz in Winterthur aufhöre, überhaupt nicht lustig.

 

Die Vereidigung als Nationalrat findet zu Beginn der Maisession statt, die vom 30. Mai bis zum 16. Juni dauern wird. Am Dienstag nach Pfingsten wird auch Esther Friedli im Ständerat ihren Eid ablegen. Ebenso wie Michael Götte wird sie dabei von Familienmitgliedern und langjährigen Weggefährten begleitet, die sich diesen emotionalen Moment auf der Galerie des Parlaments anschauen werden.

 

Originalartikel: Tagblatt, 02.05.2023 (Rudolf Hirtl)

Weitere News

An den Anfang scrollen