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Job-Hunter werben Kanzleimitarbeiter ab – Mangel an Gemeindeschreibern treibt Löhne in die Höhe

Die Suche nach einem neuen Gemeindeschreiber läuft harzig. So sind alleine auf ostjob.ch derzeit 53 Stellenangebote für Verwaltungsangestellte zu finden. Der Mangel führt dazu, dass Schreiberinnen und Schreiber in ungekündigter Stellung abgeworben werden. Dafür greift der eine oder andere Gemeindepräsident auch selbst zum Telefon.

 

Tun sich in einer Gemeindeverwaltung personelle Löcher auf, steht der ehemalige Gemeindepräsident von Eggersriet, Markus Peter, bereit, um als «Feuerwehrmann» einzuspringen. Derzeit tut er dies in der Gemeindekanzlei Untereggen, wo Gemeindeschreiber Norbert Näf seinen Dienst auf Ende Januar quittiert hat, aber aufgrund von Ferienguthaben bereits weg ist. Markus Peter hat dafür 2013 die Firma M-Peter-Dienstleistungen ins Leben gerufen. Er bietet Mithilfe in den Bereichen Kanzlei, Bau, Finanzen und Gemeindeamt an. Und das Bedürfnis dafür ist grösser denn je.

 

«Die Suche nach einem neuen Gemeindeschreiber läuft harzig, was an Bewerbungen reingekommen ist, ist sehr dürftig», räumt denn auch Untereggens Gemeindepräsident Norbert Rüttimann ein. Nach der ersten Ausschreibung im «Tagblatt» und einer auf Verwaltungsjobs spezialisierten Plattform habe kein Nachfolger für Norbert Näf gefunden werden können. «Wir haben nun ein Personalbüro mit der Suche beauftragt, das spezialisiert ist auf Verwaltungsberufe», so der Gemeindepräsident.

 

Schreiberinnen und Schreiber werden aktiv abgeworben

 

Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass dies ein zweischneidiges Schwert sei. Jobvermittler würden ihr Glück auch bei Schreiberinnen und Schreibern anderer Gemeinden versuchen. Solche Abwerbungsversuche könnten früher oder später auch seine Gemeinde treffen. Zudem würden auch Springerbüros versuchen, Personal abzuwerben. Laut Auskunft eines anderen Gemeindepräsidenten einer kleineren Gemeinde in der Region Rorschach, bekommen Ratsschreiberinnen und -schreiber bis zu sechs Jobangebote monatlich.

 

Es gebe in der Region schon den einen oder anderen, den er gerne in Untereggen hätte, sagt Rüttimann mit einem Lächeln und macht kein Geheimnis daraus, dass er selbst zum Telefon gegriffen hat, um jemanden nach Untereggen zu lotsen. Dies mache er allerdings sicher nicht in der Region Rorschach. «Ich muss ja etwas machen, sonst finde ich nie eine neue Schreiberin oder einen neuen Schreiber», sagt er dazu entschuldigend.

 

Um eine geeignete Person zu finden, hat auch Untereggen die Anforderungen etwas zurückgeschraubt. War früher für eine Anstellung als Schreiberin oder Schreiber das Diplom als Rechtsagent eine der Bedingungen, so verzichten heute viele Gemeinden darauf. Heute genügt in der Regel die Bereitschaft, eine entsprechende Weiterbildung nachzuholen.

 

Personalmangel treibt Lohnkosten in die Höhe

 

Nicht nur die Vermittlung einer Schreiberin oder eines Schreibers durch ein Personalbüro kostet Geld, der Mangel an Verwaltungspersonal treibt auch die Lohnkosten in die Höhe. «Um gutes Personal behalten zu können, bleibt uns heute oft nichts anderes mehr übrig, als attraktive Löhne zu bezahlen», sagt dazu Tübachs Gemeindepräsident Michael Götte. Nur so sei es möglich, den Abwerbeversuchen von Personal durch Job-Hunter oder andere Gemeinden erfolgreich zu begegnen. Die gestiegene Lohnsumme mache sich dementsprechend negativ im Gemeindehaushalt bemerkbar.

 

Andere Gemeinden bekunden ebenfalls Mühe bei der Personalsuche. Rheineck braucht einen neuen Stadtschreiber, weil Marco Forrer per 1. Mai neuer Gemeinderatsschreiber in Thal wird. Er ersetzt dort Christoph Giger, der per Ende Juni in Pension geht. «Wir sind immer noch am Suchen», sagt Rheinecks Stadtpräsident Urs Müller. «Wir mussten feststellen, dass die Leute heute nicht nur auf digitalen Plattformen nach Jobs suchen, sondern überraschenderweise auch in der Zeitung. Daher haben wir unsere Ausschreibung angepasst und die Bewerbungsfrist etwas verlängert.»

 

Er habe weder einen Job-Hunter beauftragt, noch versuche er, Schreiberinnen oder Schreiber von anderen Gemeinden abzuwerben. Er nutze die bestehenden Netzwerke und habe beispielsweise seine Mitarbeitenden gefragt, ob sie jemanden kennten, der geeignet sei. Zudem habe Marco Forrer, der die Ausbildung zum Rechtsfachmann mache, in seiner Klasse etwas Werbung für das Angebot in Rheineck gemacht.

 

Situation ist für kleine Gemeinden schwieriger

 

Die Problematik bezüglich hoher Löhne, um Angestellte halten zu können, sei in Reineck noch nicht angekommen. Er könne aber bestätigen, dass junge Leute heute sehr selbstbewusst in Lohnverhandlungen gingen. Als kleine Stadt habe man vor allem in zwei Kategorien Chancen.

 

Einerseits seien dies die ganz jungen Leute, die Karriere machen wollten und sich noch entwickeln müssten, und andererseits jene Leute, die relativ kurz vor der Pensionierung ständen und sich sagten, sie müssten nicht mehr so viel verdienen, und die sich mit der Arbeit in einer kleinen, schlanken Verwaltung anfreunden könnten. Die anderen, die noch nach der höchsten Karriereleiter strebten, könne man sich schlicht nicht leisten.

 

Goldachs Gemeindepräsident Dominik Gemperli spricht von einer absurden Situation. Einerseits würden die Vermittler versuchen, Personal abzuwerben, anderseits müsse man dieses dann wieder zurückmieten. Wie viele der Beschäftigten im Rathaus schon Jobangebote bekommen hätten, entziehe sich seiner Kenntnis. Fakt sei, dass Mitarbeitende des Sozialamts per Mail kontaktiert worden seien. «Wir haben das nicht ‹läss› gefunden und dem Stellenvermittler Rückmeldung gegeben, dass wir das nicht schätzen.»

 

Wenn Stellen wie Gemeindeschreiber vakant blieben, könne es schon sein, dass der Wettbewerb unter den Gemeinden spiele und möglichst alle Kanäle genutzt würden. «Das ist kein schöner Prozess, und ich finde es auch keine gute Entwicklung.»

 

Der Lohn sei nur ein Bestandteil, der dazu beitrage, gute Mitarbeitende zu halten, auch die Rahmenbedingungen müssten stimmen. Probleme hätten vor allem kleinere Gemeinden, wo es beispielsweise auch schwieriger sei, gute Stellvertretungen zu stellen. Diese Gemeinden müssten daher unter Umständen Löhne bezahlen, die nicht mehr marktgerecht seien.

 

Originalartikel: Tagblatt, 20.1.2024

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