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Kanton St.Gallen: Die Karriere von Roger Hochreutener geht zu Ende

Eingemittet war er nie: Der umstrittene Mitte-Politiker Roger Hochreutener war Präsident in drei St.Galler Gemeinden

Am Ostersonntag geht die Amtszeit von Roger Hochreutener als Gemeindepräsident von Eggersriet zu Ende. Und damit eine politische Karriere, die drei Jahrzehnte dauerte. Das geschieht ungewohnt leise.

Tübach. Lichtensteig. Eggersriet. Roger Hochreutener war in zwei Gemeinden und in einer Stadt im Kanton St.Gallen Präsident. Der Christlichdemokrat war auch Geschäftsführer der Vereinigung der St.Galler Gemeindepräsidentinnen und Gemeindepräsidenten (VSGP) und Geschäftsleiter des Trägervereins Integrationsprojekte St. Gallen (TISG).

Am Ostersonntag endet die Amtszeit Hochreuteners in Eggersriet. Der Gemeinderat hätte ihn und sein Schaffen gerne gewürdigt an der Bürgerversammlung Anfang dieser Woche. Doch Hochreutener konnte der Bürgerversammlung aus gesundheitlichen Gründen nicht beiwohnen.

Im jüngsten Mitteilungsblatt der Gemeinde Eggersriet blickt der Gemeinderat auf Hochreuteners Schaffen zurück. Bei seinem Amtsantritt im Juli 2013 sei Eggersriet verschuldet gewesen. Hochreutener, der ein 40-Prozent-Pensum hatte, habe die Finanzen ins Lot gebracht. Ein Fakt ist: In den vergangenen elf Jahren wurde der Steuerfuss nach und nach gesenkt.

Hochreutener führte in Eggersriet mit horrendem Tempo die Einheitsgemeinde ein. In seine Amtszeit fiel der Bau der Hängebrücke zwischen Grub SG und Grub AR. «Als Vermieterin des Volg-Ladens sicherte die Gemeinde den Einwohnerinnen und Einwohnern eine nachhaltige Grundversorgung», schreibt der Gemeinderat. Auch das sei ein Verdienst des scheidenden Gemeindepräsidenten. Es gibt nur Lob für Hochreutener.

Doch der 63-Jährige, der seit August 2023 wegen eines Virusinfekts krankgeschrieben ist, hat auch Kritiker. Er habe seinen Lebensmittelpunkt nicht in der Gemeinde, wurde ihm angekreidet. Mit seinem Tempo, seiner Lautstärke und seiner Geradlinigkeit stiess Hochreutener in Eggersriet auch Bürgerinnen und Bürger vor den Kopf. Andere schätzen Hochreuteners «Macherqualitäten» bis heute und loben ihn vorbehaltlos.

Gleiches Bild in Lichtensteig

Im Städtchen Lichtensteig im Toggenburg war Hochreutener, der in der Stadt St.Gallen aufgewachsen ist, von 2006 bis 2012 Stadtpräsident. Auch dort hat der ausgebildete Rechtsagent sehr viel angepackt, wie es Mathias Müller formuliert. Der gegenwärtige Stadtpräsident Lichtensteigs war Stadtschreiber, als Roger Hochreutener das Präsidium innehatte. Müller ist in der gleichen Partei wie sein Vorgänger, in der Mitte, der früheren CVP.

Wie in Eggersriet sanierte Hochreutener auch in Lichtensteig die Finanzen. Gemäss Müller entwickelte er auch die Altstadt des Toggenburger Städtchens. Mit Erfolg: 2023 erhielt Lichtensteig den Wakkerpreis des Schweizer Heimatschutzes. Die Begründung der Preisverleiherin: «Mit dem Mut zur innovativen Belebung dieser Räume hat die Kleinstadt im Toggenburg zu einem neu belebten Selbstbewusstsein gefunden.»

Müller erinnert sich auch an die Neugestaltung des Obertorplatzes und viele andere Sanierungen, die in die Amtszeit Hochreuteners fielen. Auch im Toggenburg bewies Hochreutener demnach «Macherqualitäten». Müller sagt, er habe sehr gut mit dem damaligen Stadtpräsidenten zusammengearbeitet. Er macht aber keinen Hehl daraus, dass Hochreutener auch bei den Leuten in Lichtensteig unterschiedlich angekommen sei. Mit seiner direkten Art und seinem Tempo habe er Teile der Bevölkerung überfordert, sei angeeckt.

Gleiche Erfahrung in Tübach

Von 1993 bis 2005 war Hochreutener Gemeindepräsident in Tübach. Er war gut 30, als er gewählt wurde, und damals einer der jüngsten Gemeindepräsidenten im Kanton. Er führte in Tübach als eine der ersten Gemeinden im St.Gallischen eine Einheitsgemeinde ein. In dieser Zeit war Michael Götte Lehrling auf der Tübacher Gemeindeverwaltung. Der 44-jährige SVP-Politiker ist seit 2006 Gemeindepräsident in Tübach und seit letztem Jahr Mitglied des Nationalrats. Götte kennt Hochreutener gut.

Er habe viel bewirkt in Tübach, die Gemeindeverwaltung reorganisiert und die Infrastruktur ausgebaut. Er habe in der Lehre von Hochreuteners Drive profitiert. Er habe ihn gefördert, aber auch einiges von ihm abverlangt. Immer wieder der gleiche Begriff, um Hochreutener zu charakterisieren: «Macher». Auch Götte verwendet ihn. In Tübach erinnern sich noch viele Alteingesessene an Hochreutener. Er sei gesellig gewesen. «Festzelttauglichkeit» wird ihm attestiert. Einer, der nahe am Volk war.

Irgendwann wendete sich das Blatt auch in Tübach. Hochreutener eckte an. Er überfuhr mit seiner direkten Art im Dialog und seinem Tempo in der Politik manche Tübacherin und manchen Tübacher. Als es um die Umklassierung der Schulstrasse ging, stellte sich Hochreutener schliesslich gegen den Gemeinderat. Das löste Kopfschütteln aus. Die Quittung folgte auf den Fuss: Bei den Gesamterneuerungswahlen im Jahr 2004 schaffte Hochreutener seine Wiederwahl nur ganz knapp; er lag lediglich 16 Stimmen über dem absoluten Mehr. Ohne Gegenkandidatur.

Lange Geschäftsführer kantonaler Gremien

Der Mitte-Politiker war gut 20 Jahre lang auch Geschäftsführer der Vereinigung St.Galler Gemeindepräsidentinnen und -präsidenten (VSGP). Und er war gleichzeitig Geschäftsleiter des Trägervereins Integrationsprojekte St. Gallen (TISG). Beim TISG baute er neue Strukturen im Asylwesen auf. Sowohl Matthias Müller als auch Michael Götte haben Hochreutener als TISG-Geschäftsleiter erlebt und sagen unisono, er habe gute Arbeit geleistet. Es gab auch Kritiker, die führten gegen ihn ins Feld, er habe besser auf die Gemeinden geschaut als auf die Asylsuchenden. Weder Müller noch Götte wollen das kommentieren. Götte sagt indessen, es sei zu Spannungen gekommen, weil Hochreutener ungeduldig sei. Die politischen Prozesse seien ihm zu langsam. Auch deshalb eckte er an.

2019 trat Hochreutener als TISG-Geschäftsleiter unter Nebengeräuschen zurück. Doch selbst seine Kritiker im Asylwesen lobten bei seinem Rücktritt sein breites Fachwissen und sein grosses Engagement. Michael Götte sagt, Sanierer und Macher wie Hochreutener, die kommen und gehen würden, seien normalerweise in der Wirtschaft tätig und nicht in der Politik. In der Wirtschaft arbeitet Roger Hochreutener heute manchmal – im wahrsten Sinne des Wortes: Er ist in einem Quartierrestaurant in der Stadt St.Gallen im Service tätig. Es ist das Restaurant, das seine Eltern Ende der 1980er-Jahre führten und in dem heute einer seiner Söhne wirtet.

Originalartikel: Tagblatt, 30.3.2024

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