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Von Powerloop zu Bauerloop

Am Powerloop-Forum 2023 zeigen innovative Landwirtschaftsbetriebe, wie viel man mit Biogas und WKK zum Erreichen der Energie- und Klimaziele beitragen kann. Und ETH-Expertin Vanessa Burg offenbart mit den Zahlen aus ihrer Studie zum Potenzial von Biomasse und Biogas in der Schweiz, wieso jeder Miststock zählt.
Daniel Dillier, abtretender Powerloop-Präsident (links), und die extra aus Bern kurz nach Burgdorf zum Powerloop-Forum 2023 gereiste, neue Co-Präsidentin Monika Rüegger. Quelle: CNG-Mobility.ch

 

Zur Begrüssung des Powerloop-Forum 2023 in Burgdorf BE erläuterte Daniel Dillier, abtretender Powerloop-Präsident: «Wir sind heute nicht nur Powerloop, sondern auch Bauerloop. Denn die Bauern und die Landwirtschaft sind ein wichtiger Bestandteil für eine nachhaltige Energieversorgung der Zukunft. Wir wollen Biogas und WKK auf die nächste Stufe heben.» Und er stellte gleich das neue Co-Präsidium vor. Es besteht aus den beiden Nationalräten Monika Rüegger und Michael Götte. Somit hat man bei Powerloop nun sogar einen wichtigen und direkten Draht in die UREK, die parlamentarische Kommission für Umwelt, Raumplanung und Energie. «Sichere und intelligente Energieversorgung, nachhaltige und eigenständige Versorgung sind ambitiöse Ziele», so die Obwaldner Nationalrätin Monika Rüegger. «Es geht am Schluss auch darum, eine effiziente Kreislaufwirtschaft sicherzustellen. Und zwar nicht nur im Parlament, sondern auch in der Praxis.»

 

Powerloop-Geschäftsführer Kurt Lanz begrüsste die Teilnehmenden im Namen von Ökostrom Schweiz, Schweizer Bauernverband, Schweizerischer Gewerbeverband und dem Schweizerischer Fachverband Powerloop in Burgdorf. Quelle: CNG-Mobility.ch

Powerloop-Geschäftsführer Kurt Lanz ergänzte: «Wir wollen dabei nicht Klein gegen Gross ausspielen, sondern zeigen, dass wir auch in der Schweiz noch Ressourcen haben, die viel Potenzial bieten. Wir müssen nicht auf Erdgas aus Russland oder neue AKW-Technik aus China warten.» Und mit Blick auf das brach liegende Potenzial hierzulande erklärte er: «Wir wollen mehr inländische Quellen erschliessen, damit wir die Klimaziele bis 2050 erreichen. In Kombination mit anderen Lösungen sind so smarte Energielösungen möglich.»

 

Vier Prozent des Primärenergieverbrauchs der Schweiz könnte gemäss der ETH-Forscherin Vanessa Burg aus Hofdünger bereitgestellt werden. Quelle: CNG-Mobility.ch

Obwohl aktuell rund drei Viertel der Energie für die Schweiz aus dem Ausland stammen, gibt es noch viel ungenutzte, nachhaltige Energie hierzulande, wie Vanessa Burg, Oberassistentin an der Professur für Ökologisches Systemdesign des Institut für Umweltingenieurwissenschaften an der ETH Zürich anhand einer neuen Studie eindrücklich darlegte. «Biomasse ist nach der Wasserkraft die zweitmeiste, nachhaltige Energiequelle der Schweiz», so Burg. In ihrer Studie hat sie zehn verschiedene Biomassen-Kategorien aufgestellt und die unterschiedlichen Potenziale genauer untersucht. «Wir haben für den Hofdünger dabei ein theoretisches Potenzial von 48,8 PJ. Zieht man den Weidegang der Kühe und Gebiete mit zu geringem Hofdüngeraufkommen ab, sind es immer noch 42,2 PJ an Primärenergie pro Jahr!»

 

ETH-Forscherin Vanessa Burg legte wichtige Details zu ihrer Studie zum Energiepotenzial aus Hofdünger dar. Quelle: CNG-Mobility.ch

Die ETH-Forscherin kommt so auf rund vier Prozent des Primärenergieverbrauchs der Schweiz, was doch satten 1,1 Milliarden Liter Rohöl entspricht, der durch Hofdünger gedeckt werden kann. «Biomasse ist enorm flexibel einsetzbar, ob für Wärme, zur Stromproduktion oder sogar zur Einspeisung ins Gasnetz», erläuterte sie. Bei weiteren, recht konservativen Annahmen, etwa dem Transport von rund einem Kilometer zu einem Partnerbetrieb, schrumpft das tatsächliche Potenzial zwar, aber es blieben immer noch 26,9 PJ pro Jahr. Zudem wies Vanessa Burg darauf hin, dass eine rasche Verwertung des Hofdüngers verhindere, dass Lachgas und weitere Klimagase unkontrolliert in die Atmosphäre entweichen könnten – ebenfalls ein positiver Effekt für die Umwelt, vor allem bei rund 20’000’000 Tonnen Hofdünger pro Jahr.

 

Martin Schröcker, Leiter Produktion und Handel bei FlecoPower, erläutert die Funktionsweise des virtuellen Kraftwerks aus vielen dezentralen, aber vernetzten Biogasanlagen. Quelle: CNG-Mobility.ch

Dass viele, kleine Biogasanlagen dabei auf dem Markt auch zu einem wichtigen Player und sogar für die Versorgungsicherheit entscheidend sein können, offenbarte danach Martin Schröcker, Leiter Produktion und Handel bei FlecoPower: «Spannend wird es vor allem, wenn man nicht jede einzelne Anlage optimiert, sondern wenn man die Anlagen bündelt und gemeinsam Zugänge erschliesst.» Die 2015 als Tochtergesellschaft von Ökostrom Schweiz gegründet FlecoPower tue genau dies.

 

Das virtuelle Kraftwerk von FlecoPower hilft sogar das Netz zu stabilsieren. Quelle: CNG-Mobility.ch

«Wir können wichtige Regelenergie liefern und somit bei der Sicherstellung der 50-Hz-Netzfrequenz mithelfen», erläuterte Schröcker. «Wir betreiben mit unseren rund 100 Anlagen ein virtuelles Kraftwerk, mit dem wir x Megawatt rauf- und runterschalten können. Dank der Bündelung der vielen dezentralen Anlagen können wir mit den kleinen Biogasanlagen wie ein grosser Anbieter auftreten. Zudem haben wir die Möglichkeit, auch die Verteillast im Netz besser zu steuern und damit Lastspitzen zu brechen», erläuterte er am Powerloop-Forum weitere Vorteile. Besonders spannend sei vor allem das Zusammenspiel von Photovoltaik und Biogas, wobei Biogas sicherlich der Königsweg sei.

 

Meisterlandwirt Ruedi Bigler (Bild) liefert mit seinen Kindern Simon und Manuela Bigler, beide auch Meisterlandwirte, den besten Beweis, wie innovativ Schweizer Bauern sind. Quelle: CNG-Mobility.ch

Wie ein Bauernbetrieb der Zukunft oder eben der Gegenwart, bei welchem der Miststock schon zum Ertrag beiträgt, aussieht, erklärte dann Ruedi Bigler: «Unser Betrieb ist einst mit 12 Kühen und 16 Hektar Land gestartet. Nun haben wir 80 Hektar, 120 Milchküche, rund 130 bis 140 Stück Jungvieh, 120 Muttersauen, und auf dem Zweitbetrieb werden rund 2000 Ferkel jährlich gemästet.» Seit 2019 steht auf seinem Hof in Moosseedorf BE auch eine Biogasanlage, für die er neben dem «Mist» seiner Tiere im Sommer auch Getreideabgang und Pferdemist von anderen Betrieben erhält. Die Anlage liefert aktuell 340 kW elektrisch und 350 kW thermisch ab einem Blockheizkraftwerk. Daraus produziert Bigler 2,2 Millionen kWh Strom für 550 Wohnungen und Wärme für Prozessenergie, 100 Wohnhäuser und ein Schulhaus.

 

Ein landwirtschaftlicher Multi-Energie-Hub als gutes Beispiel für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Quelle: CNG-Mobility.ch

«Das funktioniert alles im ‹Loop›», ergänzte er schmunzelnd, denn sein landwirtschaftlicher Multi-Energie-Hub ist ein eindrückliches Beispiel für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft und liefert aus der Biogasproduktion auch noch wichtige Nebenprodukte wie einen vollwertigen Dünger. «Das Gärsubstrat, das wir auch selbst im Ackerbau nutzen, und die flüssige Biogas-Gülle. Ihr Vorteil, sie stinkt nicht mehr. Das ist ein wichtiger Punkt, wenn der eigene Betrieb in einer Agglomerationsgemeinde wie Moosseedorf mit rund 4000 Leuten liegt», so Bigler weiter. Mit zwei Speichertanks mit je 45’000 Liter Volumen kann der clevere Land- und Energiewirt zudem eigene Lastspitzen besser managen. Aktuell baut er sogar eine Heizzentrale mit 900 Kilowatt Leistung. «Wir bauen zudem einen Schweinestall mit Kot-Harntrennung. So produzieren wir bald weniger Stickstoff, und der Schweinekot geht in die Biogasanlage und liefert dort etwa das Fünffache an Biogas», meinte er abschliessend.

 

Die Referentinnen und Referenten des Powerloop-Forum 2023 zeigten eindrücklich, wieso jeder Miststock auf dem Weg zur Energiewende zählt. Quelle: CNG-Mobility.ch

Ebenfalls vorgestellt wurden am Burgdorfer «Bauerloop»-Event zudem zwei Projekte, die den Nutzerinnen und Nutzern von CNG-Mobility.ch bereits bestens bekannt sein dürften: Zum einen das Leuchtturmprojekt der Familie Müller in Thayngen SH, das seit Juni 2022 Biogas als Treibstoff direkt ab Hof liefert. Möglich macht dies die erste Biogastankstelle auf einem Schweizer Bauernhof. Zum anderen das Beispiel der Hofgemeinschaft der Familien Aeberhardt und Savary, welche Strom, Wärme und Biogas – alles Energieträger aus nachhaltiger Quelle – liefert. Von diesem Multi-Energy-Hub profitieren die Gemeinden Kilchberg und Burgdorf, die so klimaneutral mit Energie versorgt werden.

 

Originalartikel: gaz energie, 14.11.2023 (jas)

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