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«Viel Unbehagen, aber kein Konzept»: Prominente Ostschweizer SVP-Köpfe widersprechen ihrer Mutterpartei beim Stromgesetz

Vor der Abstimmung über das Stromgesetz ist die SVP tief gespalten. Die Parteileitung der SVP Schweiz hat die Nein-Parole durchgesetzt. In der Ostschweiz klingt es anders: Die Kantonalparteien St.Gallen und Thurgau sind für das Gesetz – und gleich mehrere SVP-Bundesparlamentarier aus der Region sitzen im Ja-Komitee.

«Wir dürfen das auf keinen Fall unterschätzen.» Jakob Stark sagt es in nüchternem Ton, aber mit Nachdruck. Der Thurgauer Ständerat meint damit das Stromgesetz, das am 9. Juni zur Abstimmung kommt. Und er meint die eigene Partei.

Die SVP ist sich im Abstimmungskampf uneinig wie sonst nur selten. «Die Schweiz muss alles daran setzen, mehr Strom zu produzieren und Mangellagen zu verhindern», sagt Stark, der im Präsidium des Ja-Komitees sitzt. «Wir können jetzt nicht noch jahrelang zuwarten.» Die Gegner der Vorlage hätten «einen Haufen Unbehagen, aber kein Konzept». Stark war am «Bundesgesetz über eine sichere Stromversorgung mit erneuerbaren Energien», wie es offiziell heisst, an vorderster Front beteiligt.

Das Ziel dieses Mantelerlasses: Die Schweiz soll rasch mehr Strom aus Quellen wie Wasser, Sonne, Wind oder Biomasse produzieren können. Der Kompromiss war im Bundesparlament hart errungen und in der Schlussabstimmung letzten Herbst fast unbestritten. Die SVP zog mit – das Ja im Ständerat war einstimmig, im Nationalrat lehnte nur eine Minderheit der SVP-Fraktion das Gesetz ab. Parteispitze leitete Kehrtwende ein Im März drehte bei der SVP der Wind. Die Parteispitze entschied, das Gesetz zu bekämpfen – und somit gegen den eigenen Bundesrat, Albert Rösti, anzutreten.

An der nationalen Delegiertenversammlung setzte sich Vizepräsidentin Magdalena Martullo-Blocher durch: Die Delegierten beschlossen die Nein-Parole. Die SVP Schweiz unterstützt das Referendum, das eine Gruppe von Naturschützern unter der Führung der Fondation Franz Weber ergriffen hat. SVP-Parteichef Marcel Dettling bezeichnet das Stromgesetz «als faulen Kompromiss». Die Schweiz gebe damit sehr viel Geld für eine unsichere Energiezukunft aus, sagte er in einem Interview mit Swissinfo. «Die Schweiz ist kein Land für Windenergie.

Und Solar funktioniert nur, wenn die Sonne scheint.» Im offiziellen Argumentarium der SVP Schweiz gegen das Gesetz heisst es zudem: «In der Schweiz wird die Versorgungssicherheit durch Wasser- und Kernkraft sichergestellt. Der Mantelerlass hält jedoch am Verbot der Kernkraft fest.» Die SVP warnt auch, die lokale Bevölkerung habe mit dem neuen Gesetz keine Mitspracherechte mehr. SVP ist im Ja-Komitee gut vertreten Dieser Kurs ist bei der Parteibasis umstritten.

Die SVP Kanton Bern etwa sagt Ja zum Gesetz. Grossen Zuspruch gibt es auch in der Ostschweiz: Die SVP Kanton St.Gallen fasste schon Anfang März sehr deutlich die Ja-Parole. Vergangene Woche stimmte auch die Thurgauer SVP zu. Im überparteilichen Ja-Komitee, das weit über 100 Personen zählt, sitzen nebst Jakob Stark rund 20 weitere SVP-Parlamentsmitglieder, darunter die St.Galler Mike Egger, Esther Friedli und Michael Götte sowie die Thurgauerin Diana Gutjahr. Den Mantelerlass abzulehnen, sei «nicht staatstragend», sagt Gutjahr. «Einfach immer gegen ein Gesetz zu sein, wo ‹Energie› draufsteht, ist für mich keine Option.» Das Stromgesetz werde nicht ausreichen, um die Versorgung auf Dauer zu sichern. «Aber es hilft, die Lücken zu verkleinern.

» Esther Friedli sagt, es gebe innerhalb der SVP «eine unterschiedliche Gewichtung der Argumente». Friedli selber betont, eine technologieoffene Stärkung der Stromproduktion und damit die Stärkung der Unabhängigkeit der Schweiz sei zentral. «Dabei steht für mich die Wasserkraft im Zentrum.» Deren Ausbau sei ein Kernpunkt des Stromgesetzes. Friedli teilt die Skepsis gegenüber Windkraftanlagen, sagt aber auch: «Gemäss meiner Auslegung des Gesetzes gibt es mit dem Stromgesetz keine Aushebelung der demokratischen Prozesse oder Rechte in den Gemeinden.

» Streit um den besten Weg zu neuen AKW Mike Egger sieht das Stromgesetz als wichtiges Element für das künftige Verhältnis zur EU. «Je mehr Strom wir selbst produzieren, desto weniger sind wir auf Importe angewiesen.» Die Schweiz habe dann einen weiteren Grund, auf das Rahmenabkommen mit der EU zu verzichten. Die Kontroverse innerhalb der SVP um das Stromgesetz habe ihn nicht überrascht – «das ist normal». Auch Michael Götte sagt, das sei «Ausdruck einer gelebten Parteiendemokratie».

Er persönlich gewichte die Energiesouveränität der Schweiz höher, die SVP Schweiz gewichte den Landschafts- und Naturschutz höher. Natur hin oder her: Viele Gegner des Stromgesetzes erhoffen sich bei einem Nein einen Schub für die Atomkraft. Auch die Ostschweizer SVP-Köpfe im Ja-Komitee befürworten die Kernenergie. Sie warnen aber: Ein Nein zum Stromgesetz sei hierbei keine Hilfe. Denn um neue AKW zu ermöglichen, brauche man Mehrheiten im Parlament.

«Wie die Gegner des Stromgesetzes diese Mehrheiten beschaffen wollen, ist mir schleierhaft», sagt Gutjahr. «Die verantwortungsvollen Kräfte haben dafür einen klaren Plan.» So solle die grundsätzliche Kernenergie-Frage dem Volk vorgelegt werden, in einem Gegenvorschlag zur Blackout-Initiative, die im Februar eingereicht wurde. Dieses Vorgehen scheine mehrheitsfähig zu sein, sagt Gutjahr. Axpo-Mandat: Stark kontert Vorwürfe Gestritten wird auch über die finanziellen Folgen des Stromgesetzes.

Die SVP Schweiz sagt, der Strompreis werde dadurch steigen. Ständerat Stark entgegnet: «Richtig teuer wird es nur, wenn wir eine Strommangellage haben.» Umgekehrt musste sich Stark von der «Weltwoche» vorwerfen lassen, er sei als bezahltes Mitglied des Axpo-Verwaltungsrats keine glaubwürdige Stimme beim Stromgesetz. Stark widerspricht: «Ich bin nicht der politische Briefträger der Axpo.» Das habe er der Konzernspitze auch gesagt.

Man könne aber kein Stromgesetz machen, ohne die Branche einzubinden. Zu den Differenzen innerhalb der SVP sagt Stark: «Eine grosse Partei muss das aushalten.» Es sei richtig, diese Diskussion zu führen. Allerdings: Nicht alle SVP-Vertreter im Ja-Komitee engagieren sich direkt im Abstimmungskampf. Esther Friedli verzichtet auf öffentliche Auftritte, ebenso Michael Götte.

Er stehe zu seiner Meinung, sagt Götte – er trete aber nicht gegen einen Mehrheitsbeschluss der Delegierten der SVP Schweiz an.Vor der Abstimmung über das Stromgesetz ist die SVP tief gespalten. Die Parteileitung der SVP Schweiz hat die Nein-Parole durchgesetzt. In der Ostschweiz klingt es anders: Die Kantonalparteien St.Gallen und Thurgau sind für das Gesetz – und gleich mehrere SVP-Bundesparlamentarier aus der Region sitzen im Ja-Komitee.

Abstimmungskampf Parteispitze leitete Kehrtwende ein SVP ist im Ja-Komitee gut vertreten Streit um den besten Weg zu neuen AKW Axpo-Mandat: Stark kontert Vorwürfe Adrian Vögele Der Stausee Gigerwald im Sarganserland: Das Stromgesetz sieht auch eine obligatorische Wasserkraftreserve für die Schweiz vor.

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