«Über eine Stadt am See sollte aus Überzeugung erneut diskutiert werden», schrieb das Tagblatt vor Wochenfrist. Eine Umfrage bei Gemeindepräsidenten und Parteien offenbart Uneinigkeit. Während eine Fusion für die einen nur eine Frage der Zeit ist, lehnen sie andere grundsätzlich ab. Insbesondere SVP-Vertreter sehen wenig Nutzen darin.
Vor zehn Jahren hat die Grundsatzabstimmung stattgefunden. In Rorschach sagten 86,7 Prozent der Stimmberechtigten Ja, in Goldach hingegen lehnten fast 70 Prozent, in Rorschacherberg 63 Prozent die gemeinsame Zukunft ab. Rorschachs aktueller Stadtpräsident Röbi Raths steht einer Fusion grundsätzlich positiv gegenüber. Ob nun der richtige Zeitpunkt dafür ist, das stelle er jedoch infrage. «Wir müssen zuerst die Grundlagen erarbeiten.
Rorschach und Goldach prüfen aktuell eine weitere, noch nähere Zusammenarbeit auf verschiedenen Ebenen. Vielleicht kommt Rorschacherberg ja einmal dazu. Das würde meiner Meinung nach einfach Sinn machen, denn die ‹Stadt am See›, oder wie das Konstrukt einmal heissen sollte, besteht aus Rorschach, Goldach und Rorschacherberg.» Eine Fusion hätte laut Röbi Raths mehrere praktische Vorteile, insbesondere auch wegen des Fachkräftemangels. Vor allem kleinere Städte und Gemeinden fänden kaum mehr Verwaltungspersonal, geschweige denn Stellvertreterregelungen.
Diesbezüglich wäre eine nähere Zusammenarbeit wichtig und wünschenswert. Befürchtungen, dörfliche Identitäten oder die Autonomie durch eine Fusion zu verlieren, seien unbegründet. Raths verweist auf die Gemeinde Thal mit den Dorfteilen Altenrhein, Staad und Thal, diese hätten nach wie vor ihre eigenen Charaktere und Besonderheiten. Für Fusion, aber nicht euphorisch Eine Vereinigung würde für Goldachs Gemeindepräsident Dominik Gemperli unter manchen Aspekten Sinn ergeben: Die Herausforderungen der Kommunen seien in vielerlei Hinsicht ähnlich und es gebe Projekte und Themenfelder, die sich als «Stadt am See» wohl besser bearbeiten liessen. Er betont: «Das ist halt nur ein Teil der Medaille.
Man muss bei aller Euphorie für eine ‹Stadt am See› auch ehrlich bleiben: Die finanziellen Rahmenbedingungen der Seegemeinden sind sehr unterschiedlich, eine Ausfinanzierung dieser Unterschiede durch den Kanton ist illusorisch. Das sind finanzpolitische Fakten, die es ebenfalls zu berücksichtigen gilt.» Daher liege der Fokus der Behörden im Moment auf einer vertieften Zusammenarbeit. In den vergangenen Jahren sei einiges erreicht worden. Goldachs verlängerte Mühlegutstrasse mit Unterführung stifte beispielsweise einen Nutzen für die ganze Region.
Ob in vereinigten Strukturen beim A1-Anschluss noch mehr möglich gewesen wäre, sei eine reine Hypothese. Die Vorteile sind für Gemperli klar: «Das Zukunftsbild einer Region am See liesse sich klarer definieren und damit auch umsetzen. Eine grössere Verwaltung würde dem Thema des Fachkräftemangels angemessen begegnen.» Er spreche sich nicht gegen eine Vereinigung aus, aber er warne vor einer falschen Euphorie. «Das Thema ist komplex, vielschichtig und bedarf einer sauberen und ausgewogenen Analyse.
» Im Jahr 2014 hätten die Gemeinden Goldach und Rorschacherberg nicht Nein zu einer Vereinigung gesagt, sondern sie hätten bereits Nein gesagt, das Thema einer Vereinigung näher zu prüfen. Den Bürgerwillen gelte es zu respektieren. Ob die Zeit bereits heute reif sei, das Thema wieder auf die politische Agenda zu nehmen, wage er zu bezweifeln. Die Frage einer Vereinigung werde sich wieder stellen. Zu gegebener Zeit.
Fusion in naher Zukunft unvorstellbar Das Thema dürfe nicht an einer Seestadt bzw. der Fusion aufgehängt werden, sondern müsse aus der Optik einer allgemeinen regionalen Entwicklung betrachtet werden, zeigt sich Tübachs Gemeindepräsident und SVP-Nationalrat Michael Götte überzeugt. Er sagt: «Eine Fusion ist heute und in naher Zukunft unvorstellbar und bringt auch nicht den gewünschten Nutzen.» Hilfreich und zwingend nötig sei die Zusammenlegung von Verwaltungseinheiten. «Dies muss aber breiter als nur mit Rorschach, Goldach und Rorschacherberg betrachtet werden.
Hierzu gehört auch Untereggen, Eggersriet, Mörschwil, Berg, Tübach und Steinach.» Vorteile einer Fusion seien eine bessere nationale Wahrnehmung und mehr Gewicht im kantonalen Kontext; Nachteile seien zu grosse steuerliche Unterschiede, unterschiedliche Kulturen und unterschiedliches Verständnis für die regionale Entwicklung. Für Sabina Revoli, Präsidentin der SVP des Kreises Rorschach, ist eine Entscheidung für oder gegen eine Stadt am See eine sehr emotionale Angelegenheit. Die Zusammenlegung der Ämter wie Grundbuchamt, Zivilstandsamt oder Betreibungsamt und die Planung eines regionalen Werkhofes machen für sie Sinn. Aufgrund des Mangels an Fachleuten müsse die Region unbedingt verstärkt zusammenarbeiten und Synergien nutzen.
«Aber», sagt sie, «die Zeit für eine Fusion ist nicht reif. Die Bewohnenden der Gemeinden haben dies klar bestimmt. Ein zu starker Druck vonseiten der Befürworter verstärkt die Abwehr der Gegner.» Als eine gemeinsame Stadt begreifen Völlig anders als die SVP-Vertreter sieht es Noam Leiser, Präsident der SP Rorschach Stadt am See. Für ihn ist eine Fusion nur eine Frage der Zeit.
Aus der Vogelperspektive betrachtet seien keine Gemeindegrenzen sichtbar, und die meisten würden sie ohnehin nicht kennen. Viele Herausforderungen könnten gemeinsam besser bewältigt werden. Die bestehende Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Ämtern über Gemeindegrenzen hinweg beweise, dass dies möglich sei. «Ein Zusammenschluss würde zu erheblichen Effizienzgewinnen in der Verwaltung führen und unsere Bedeutung auf kantonaler Ebene stärken. Besonders Projekte wie die Altersstrategie könnten schneller aufgegleist und umgesetzt werden.
Zudem könnten wir uns im Tourismus- und im Kultursektor wesentlich besser entfalten. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass wir uns als eine gemeinsame Stadt begreifen», so Leiser. In Goldach und Rorschacherberg sähe man eine Fusion im Hinblick auf den Steuerfuss skeptisch. Er sei der Elefant im Raum. «Dabei wird ausgeblendet, dass eine Fusion einen riesigen Synergieeffekt hätte, der sich positiv auf die Rechnung auswirken würde.
Das Beispiel Rapperswil-Jona zeigt deutlich auf, dass der positive Effekt überwiegt, gerade was die Kosteneinsparung betrifft.» Noam Leiser ist überzeugt davon, dass es jetzt an der Zeit ist, sich intensiv mit diesem Thema zu befassen. In der Diskussion sollten alle Aspekte ernsthaft und offen angesprochen werden. Im Bereich der Steuerpolitik werde eine Übergangsphase erforderlich sein, für die zunächst entsprechende Mechanismen entwickelt werden müssen. Doch das allein genüge nicht: «Wir müssen eine gemeinsame Vision für die Region erarbeiten.
» Nur wenn die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger eine klare Vorstellung davon hätten, wie grossartig eine gemeinsame Stadt am See sein könnte, würden sie einer Fusion zustimmen. «Die grössten Vereine haben es erfolgreich vorgemacht. Eine Fusion der drei Gemeinden zur ‹Stadt am See› oder ‹St.Gallen les bains› ist als mittelfristiges Ziel klar zu befürworten», sagt der ehemalige Rorschacher Stadtplaner und Mitte-Ortspräsident Markus Fäh. Die Herausforderungen in allen Bereichen der Sektoralpolitk liessen sich in einem zusammengewachsenen und funktionalen Raum oft nur noch sinnvoll gemeinsam lösen.
Der «Gemeindligeist» habe schon lange ausgedient. Fäh sagt: «Es ist Zeit, dass auch die heutige Gesellschaft Pioniergeist zeigt und Verantwortung übernimmt.» Dies, damit die Zukunft den aktuellen Bedürfnissen entsprechend aus einer Gesamtsicht gestaltet werden könne. Wichtig sei in diesem Zusammenhang, dass Wege gefunden würden, damit die vielen bestehenden Identitäten, Kulturen und Spezifitäten in den jeweiligen Ortsteilen erhalten blieben. Nun sollten laut Fäh zumindest Gespräche gestartet werden.
«Es wäre erstrebenswert, dass zumindest einmal die Entscheidungsgrundlagen sauber aufgearbeitet würden. Leider ist dieser Schritt beim letzten Mal schon gescheitert.»«Über eine Stadt am See sollte aus Überzeugung erneut diskutiert werden», schrieb das Tagblatt vor Wochenfrist. Eine Umfrage bei Gemeindepräsidenten und Parteien offenbart Uneinigkeit. Während eine Fusion für die einen nur eine Frage der Zeit ist, lehnen sie andere grundsätzlich ab.
Insbesondere SVP-Vertreter sehen wenig Nutzen darin. Zusammenschluss Für Fusion, aber nicht euphorisch Fusion in naher Zukunft unvorstellbar Als eine gemeinsame Stadt begreifen Rudolf Hirtl Noch sind es nicht nur Blitze über dem Bodensee, welche die Region Rorschach «spalten», die Meinungen über eine Fusion zur «Stadt am See» sind ebenso gespalten.