Sparen bei der Schweizer Armee: Dafür einsatzfähig erst per 2050?
Neben vielen konkreten Sparvorschlägen hat die Expertengruppe Gaillard eine brisante Idee lanciert: Die Armeeausgaben sollen weniger stark wachsen. Für bürgerliche Politiker keine Option.
«Wir haben überall Sparpotenzial gefunden», verkündete Serge Gaillard, ehemaliger Direktor der Finanzverwaltung des Bundes, letzten Donnerstag. Ein halbes Jahr hatte die vom Bundesrat eingesetzte Expertengruppe den Bundeshaushalt genaustens unter die Lupe genommen. Resultat: 60 Massnahmen in fast allen Bereichen. 2027 könnten gegenüber der bisherigen Planung rund 4 Milliarden Franken eingespart werden, 2030 gar 5 Milliarden. Bürgerliche begrüssen den Bericht, die Linke ist empört. Von einem «Frontalangriff auf die soziale Schweiz» spricht die SP, die Grünen von einem Abbauprogramm. So weit, so klar die bereits bekannten politischen Fronten.
Der Bericht zeigt eindrucksvoll: Der Bund könnte sparen – wenn die Politik nicht wäre. Wie viele der vorgeschlagenen Massnahmen am Ende tatsächlich Mehrheiten erzielen, ist ungewiss. Die Budgetdebatte des letzten Jahres zeigte eindrucksvoll, wie schwierig es werden könnte. Schon damals wollte das Parlament sparen und es doch nur mit Mühe und Not geschafft, die Vorgaben der Schuldenbremse einzuhalten. Alles war, ist und blieb unentbehrlich. Deshalb hat die Finanz-Expertengruppe noch zwei Nebenvarianten mit alternativen Optionen erarbeitet, für den Fall, dass das Parlament nicht genug Sparvorschläge ihrer Hauptvariante umsetzt.
Mehr Einnahmen, weniger Armeeausgaben
In der einen Variante stellt die Gruppe zusätzliche Einnahmen zur Diskussion, in der anderen eine Reduktion beim Armeebudget, das in der Hauptvariante unangetastet bleibt. Diese zweite Variante gibt viel zu reden. Gemäss Planung soll das Armeebudget bis im Jahr 2035 1 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) betragen, somit wächst es zwischen 2026 und 2032 um durchschnittlich 6,14 Prozent. Die Finanzexperten spielen in ihrem Bericht mit einem 4,25-Prozent-Szenario, wobei sich die Armee auf Bedrohungen aus der Luft und im Cyberraum beschränken soll.
Dies war eine alternative Strategie in der Armeebotschaft 2024, welche der Bundesrat verworfen hatte. Die Armee solle «die gesamte Breite ihres Aufgabenspektrums» abdecken können. Die Landesverteidigung solle sich ausrichten auf hybride Konfliktführung, militärische Bedrohungen aus der Distanz und einen gleichzeitig auftretenden Angriff. Der Ständerat bestätigte dieses Fähigkeitsprofil.
Die Gruppe Gaillard stellt diese Entscheide mit ihrer Nebenvariante nun infrage. Sie geht davon aus, dass das Risiko eines umfassenden militärischen Angriffs auf die Schweiz gering ist. Zudem führe das angestrebte breite Fähigkeitsprofil der Armee dazu, dass von anderen Departementen erhebliche Sparanstrengungen verlangt werden müssten. Die Gruppe hat deshalb beim Verteidigungsdepartement (VBS) angefragt, was eine Budgetreduktion auf 4,25 Prozent bedeuten würde. Das VBS antwortete: Verglichen mit der heutigen Planung würden Lücken beim direkten (Panzer) und indirekten Feuer (Artillerie) länger bestehen.
Auch Mittel zur bodengestützten Verteidigung würden nicht erneuert. Schon heute spricht Armeechef Thomas Süssli von temporären Fähigkeitslücken und dem Verlust des Heeres, weil alte Systeme wie die Panzerhaubitze M109 der Artillerie an ihr Nutzungsende kommen und nicht sofort Ersatz bereitsteht. Die Nebenvariante der Finanzexperten würde gemäss VBS dazu führen, dass die Armee erst um 2050 verteidigungsfähig wäre statt wie heute vom Bundesrat vorgesehen 2040.
Für bürgerliche Politiker ist dies keine Option, sie möchten das Armeebudget schneller als der Bundesrat auf 1 Prozent des BIP erhöhen, nämlich per 2030 statt 2035. Damit sollen Fähigkeitslücken verhindert und Defizite in der Luftverteidigung geschlossen werden können. «Wir befinden uns jetzt schon in einem Cyberkrieg und müssen nachrüsten. Es fehlt an allen Ecken und Enden», sagt der Mitte-Nationalrat Reto Nause. Auch SVP-Nationalrat Michael Götte, der in der Finanz- sowie in der Sicherheitspolitischen Kommission (SiK) des Nationalrates sitzt, sieht dies so: «Nachdem der Armee zwanzig Jahre lang die Mittel entzogen wurden, sind die sicherheitspolitischen Risiken nun zu gross, um hier weiter zu sparen.»
«Die sicherheitspolitischen Risiken sind zu gross»
Für die SP-Nationalrätin Priska Seiler Graf, die Präsidentin der SiK, zeigt der Bericht hingegen, dass eine schnellere Erhöhung des Armeebudgets kaum zu bewerkstelligen ist: «Die Spargruppe macht deutlich: Der Kurs des Bundesrates ist richtig. Es braucht eine Nachrüstung der Armee, aber finanzpolitisch können wir 2030 nicht verantworten.» Für die bürgerliche Mehrheit im Parlament ist dies jedoch der einzig gangbare Weg. Allerdings gehen die Meinungen noch weit auseinander bei der Frage, woher das Geld kommen soll.
Die Finanzexperten der Gruppe Gaillard haben ohne Scheuklappen den Bundeshaushalt überprüft und Sparpotenzial aufgezeigt. Nun ist das Parlament am Zug. Die Verlangsamung des Wiederaufbaus der Armee dürfte keine Mehrheit finden, weder im Bundesrat noch im Parlament. Im gegenwärtigen sicherheitspolitischen Umfeld ist sie vor allem eines: eine akademische Gedankenspielerei.