Ein weiteres Beschaffungsprojekt der Armee ist in Schieflage: Wie Recherchen der «NZZ am Sonntag» zeigen, hat die Einführung der neuen Funksysteme mehrere Jahre Verspätung. Armasuisse rechnet mit Mehrkosten von 50 Millionen Franken. Auf den neuen Departementsvorsteher warten grosse Herausforderungen.
Es wirkt, als laste ein Fluch über der Armee. Egal, was die Militärs kaufen, es dauert immer länger. Und es kostet immer mehr. Das gilt auch für die neuen Funksysteme, die zurzeit in 1800 Fahrzeuge verbaut werden. Wie Recherchen zeigen, gibt es bei diesem 300 Millionen Franken teuren Schlüsselprojekt viele Baustellen. «Wir haben Lieferprobleme, und wir haben derzeit einen Rückstand von zwei bis drei Jahren», räumt der Projektleiter Matteo Pintonello von Armasuisse ein.
Wie gross die Verspätung bis zum Abschluss werde, sei noch offen. «Wir sind daran, eine neue Planung zu erstellen.» Insbesondere die Integration in die Fahrzeuge sei anspruchsvoll und risikoreich. «Das ist eines der komplexesten Projekte, die wir überhaupt haben.» Wichtige Komponenten seien teilweise auf dem Markt nicht mehr verfügbar gewesen. So habe sich wegen verschiedener Faktoren eine Verspätung von mehreren Jahren summiert.
Was aber mehr zu reden geben dürfte: Das Projekt wird massiv teurer. «Der Lieferant hat uns gegenüber infolge von Teuerung beim Material Mehrkosten von 47 bis 50 Millionen Franken geltend gemacht», so Pintonello. Es handle sich um das normale Vorgehen bei nicht planbaren und nicht kalkulierbaren Kosten. «Die Covid-Krise und der Ukraine-Krieg haben militärische Bauteile massiv verteuert», so der Projektleiter weiter. Es müsse nun geprüft werden, ob der Projektumfang angepasst werde oder ob mit einem der nächsten Rüstungsprogramme mehr Mittel beantragt werden müssten.
Der Lieferant der Funkgeräte ist der israelische Rüstungskonzern Elbit.Dieser stellt auch die Drohnen her, die ebenfalls um Jahre verspätet sind. Eigentlich sollten sie seit 2019 einsatzbereit sein. Gemäss einem Brief der Finanzdelegation werden die unbemannten Flugzeuge jedoch erst 2029 die militärischen Anforderungen erfüllen können – wenn überhaupt. Die Schweiz hat bis heute noch nicht alle Drohnen geliefert erhalten.
Bei den Funkgeräten sei man besser unterwegs, beteuert Armasuisse. In einem Prüfbericht von 2020 hatte die Finanzkontrolle (EFK) moniert, dass die Geräte nur mit «Vorbehalt» truppentauglich seien und es zahlreiche Mängel gebe. «Zu diesem Zeitpunkt hatten wir noch keinen Vertrag für die Beschaffung. Sondern erst für die Beschaffungsvorbereitung», so der Projektleiter Pintonello. Diese Phase habe man genutzt, um die Mängel durch den zukünftigen Lieferanten Elbit beseitigen zu lassen. Ein neuer Bericht der EFK bestätige, dass dies gelungen sei. «Wir haben grosse Fortschritte gemacht und haben die technischen Risiken des Projekts reduzieren können.» Die Kontrolleure hätten Armasuisse im neusten Bericht attestiert, einen guten Job in einem schwierigen Umfeld gemacht zu haben.
Doch das wird kaum reichen, um die Politiker zu besänftigen. Die Armee modernisiert zurzeit ihre Kommunikations- und IT-Infrastruktur von Grund auf. Es geht um milliardenschwere Projekte, von denen mehrere aus dem Ruder gelaufen sind. Dass nun auch die neuen Funksysteme Mehrkosten von 50 Millionen Franken verursachen, löst Unverständnis aus. «Jedes Beschaffungsprojekt, bei dem moderne Technologie gekauft wird, macht Probleme, wird zu teuer oder kommt zu spät. Da stellen sich grundsätzliche Fragen zum Projektmanagement», sagt der Urner Ständerat Josef Dittli. «Als Parlamentarier und Sicherheitspolitiker muss ich sagen: Das ist frustrierend.»
«Die Geräte von Elbit stehen sinnbildlich für eine überambitionierte Digitalisierungsstrategie der Armeespitze. Ich bin sicher, dass es günstigere Alternativen aus den Nachbarländern gegeben hätte», sagt die Solothurner SP-Ständerätin Franziska Roth. Wäre eine Firma aus Deutschland oder Frankreich beauftragt worden, wäre die Problemlösung aufgrund der geografischen Nähe bedeutend einfacher, so Roth.
Die grosse Frage ist, was der Wechsel an der Departementsspitze für die grossen Probleme bei der IT-Infrastruktur bedeutet. Die Erwartungen des Parlaments sind gross: «Die neue Leitung muss den Laden auf Vordermann bringen», sagt der Grüne Gerhard Andrey. Das Beschaffungswesen und das Projektmanagement der Armee brauchten eine Fitnesskur. «Sonst verpuffen die Milliarden. Gerade weil andere Bereiche empfindlich sparen müssen, darf das nicht passieren.»
Auch SVP-Sicherheitspolitiker fordern rasche Verbesserungen: «Diese Top-Projekte müssen priorisiert und erfolgreich abgeschlossen werden», sagt Michael Götte. Das sei seine Erwartung an den neuen Departementsvorsteher. Er kritisiert die langen Projektdauern bei den IT-Beschaffungen. «Wenn die Umsetzung fast ein Jahrzehnt dauert, sind die Lösungen bei der Einführung schon wieder veraltet.»
Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte das VBS stark an Bedeutung verloren. Seit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges hat sich das fundamental geändert. Nun pumpt die Politik Milliarden hinein. Und das Militär hat politisch eine völlig neue Bedeutung erhalten. Doch auch die Probleme im Departement sind grösser denn je. Die Frage ist, ob die neue Person an der Spitze die Herausforderungen mit dem bestehenden Personal anpacken will. Der Armeechef Thomas Süssli steht unter Druck. Er muss die heiklen Projekte zum Fliegen bringen.