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Deutschland will kein Schweizer Kriegsmaterial mehr: Sorge um Mowag im Thurgau

Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine stellt die Schweizer Neutralitätspolitik seit über zwei Jahren auf die Probe. Hart gestritten wurde um die Frage, ob andere Staaten Kriegsmaterial aus Schweizer Produktion weitergeben dürfen oder nicht. So wollte Deutschland in der Schweiz erworbene Munition für Gepard-Panzer in die Ukraine ausführen – doch Bern sagte Nein dazu. Das hat nun Folgen. Wie vor kurzem bekannt wurde, hat Deutschland bei einer grossen internationalen Ausschreibung für Rüstungsmaterial die Efta-Staaten – also auch die Schweiz – bewusst ausgeschlossen.

 

Die Produktionsstätte müsse auf EU-Gebiet liegen. Ein Szenario wie bei der Gepard-Munition soll damit verhindert werden. Im vergangenen Jahr hatte zudem das niederländische Parlament entschieden, kein Schweizer Kriegsmaterial mehr zu beschaffen. Weitere Staaten könnten folgen. Über 900 Arbeitsplätze im Thurgau Im eidgenössischen Parlament, das gerade über eine milliardenschwere Aufstockung des eigenen Armeebudgets diskutiert, löst diese Entwicklung Besorgnis aus.

 

Bürgerliche Politikerinnen und Politiker sehen die Schweizer Rüstungsindustrie in Gefahr. Die Situation sei «äusserst alarmierend», sagt etwa die Thurgauer Mitte-Ständerätin Brigitte Häberli-Koller. Kein Technologieunternehmen könne allein vom Schweizer Markt leben. Häberli sorgt sich besonders um das Thurgauer Unternehmen GDELS-Mowag, das gepanzerte Fahrzeuge herstellt und zum US-Konzern General Dynamics gehört. Die Mowag beschäftigt aktuell 930 Mitarbeitende an den Standorten Kreuzlingen und Tägerwilen.

 

Zudem bezieht sie Material bei vielen Zulieferbetrieben in der Ostschweiz. Die Thurgauer Ständerätin, die auch Mitglied der Sicherheitspolitischen Kommission ist, hat in Absprache mit dem Industrieverband Swissmem eine Interpellation eingereicht. Sie erkundigt sich beim Bundesrat nach den Hintergründen der erwähnten Ausschreibung in Deutschland und will wissen, was dieser nun zu tun gedenkt. «Was ist notwendig, damit die Schweizer Rüstungsindustrie nicht mehr vom europäischen Markt ausgeschlossen wird?» Es gehe nicht nur um militärische Aspekte. «Die Rüstungsindustrie ist nicht nur das Rückgrat der Armee, sondern auch der Garant für Technologietransfer in die zivile Industrie.»

 

«Das kann zu einer tieferen Auslastung führen» Was sagt GDELS-Mowag zu dieser Sache? Ist ihre Teilnahme an Ausschreibungen im Ausland erschwert? «Ja, auch wir sind von dieser Änderung der Ausschreibungspolitik betroffen und beobachten diese Entwicklung mit Sorge», sagt Geschäftsführer Giuseppe Chillari. «Da wir als europäische GDELS-Gruppe auch Produktionsstandorte in Deutschland, Spanien, Österreich und Rumänien haben, sind wir bisher noch nicht von konkreten Ausschreibungen ausgeschlossen worden.» Allerdings hätten die Auftraggeber klare Forderungen zum Endverbleib der Produkte, «was indirekt bedeutet, dass wir diese Fahrzeuge im Ausland fertigen müssten. Diese Verschlechterung der politischen Rahmenbedingungen kann mittelfristig zu einer tieferen Auslastung unserer Produktionsstätten in Kreuzlingen und Tägerwilen führen.» Derzeit sei GDELS-Mowag mit diversen Aufträgen aus dem In- und Ausland noch gut ausgelastet, sagt Chillari weiter.

 

Die Zahl der Mitarbeitenden sei seit einiger Zeit sehr stabil. Jedoch: «Sollte sich die Auslastung unserer Standorte Kreuzlingen und Tägerwilen aufgrund der aktuellen Entwicklung der Rahmenbedingungen negativ entwickeln, hätte dies mittel- bis langfristig auch Auswirkungen auf den Personalbestand.» Das Unternehmen begrüsse es, wenn sich die Schweizer Politik mit der Frage der Wiederausfuhr von Schweizer Rüstungsgütern auseinandersetze, so Chillari. «Für GDELS-Mowag wäre eine Lockerung der vor über zwei Jahren verschärften Kriegsmaterialgesetzgebung und die Möglichkeit der Wiederausfuhr in klar definierte Länder eine wichtige Voraussetzung, um auch in Zukunft auf den internationalen Märkten erfolgreich agieren zu können.» Exportrückgang wirft Fragen auf Den Sicherheitspolitikern im Bundeshaus sind auch die neuen Zahlen zu den Schweizer Rüstungsexporten aufgefallen.

 

Im Jahr 2023 sei ein Rückgang um 27 Prozent gegenüber dem Vorjahr verzeichnet worden, schrieb der St.Galler SVP-Nationalrat Michael Götte. Er wollte vom Bundesrat wissen, was dies für die Zukunft des Rüstungsstandorts Schweiz bedeute. Wirtschaftsminister Guy Parmelin (SVP) antwortete, grosse Schwankungen in den Statistiken über Kriegsmaterialexporte seien nicht ungewöhnlich. Manchmal könnten einzelne Exporte mehr als hundert Millionen Schweizer Franken betragen.

 

Eine allgemeine Schlussfolgerung könne man aus den Zahlen für 2023 daher nicht ziehen. Mögliche Reaktionen einzelner Länder, die «Zweifel an der Zuverlässigkeit der Schweiz als Rüstungslieferant» äussern, würden jedenfalls erst in einigen Jahren statistisch sichtbar. Dennoch: Der Rückgang lasse aufhorchen und man werde die Entwicklung beobachten, so Parmelin.

 

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