Bundesrat Martin Pfister speckt das Drohnenprojekt ab und streicht wichtige Zusatzfunktionen
Zehn Jahre nach dem Start wird das 300-Millionen-Projekt für Schweizer Aufklärungsdrohnen deutlich reduziert. Zusatzfunktionen fallen weg, doch diverse Schwierigkeiten bleiben.
Vor zehn Jahren hatte die Schweiz sechs Aufklärungsdrohnen bei der israelischen Firma Elbit bestellt und diverse Anpassungen («Swiss Finish») verlangt. Der bewilligte Kreditrahmen: 298 Millionen Franken. Seither sorgt das Drohnenprojekt ADS-15 immer wieder für negative Schlagzeilen. Im Juli stellte der Rüstungschef Urs Loher den Abbruch in Aussicht.
Jetzt ist klar: Das Projekt wird weitergeführt, aber auf drei wesentliche Funktionen wird verzichtet. Konkret geht es um Systeme, dank denen die Drohnen automatisch starten und landen, sich selber enteisen und Objekten automatisch ausweichen können. Das Ausweichsystem hätte der bundeseigene Rüstungskonzern Ruag entwickeln sollen.
Der Verzicht auf diese Systeme hat erhebliche Folgen für den Betrieb in der Schweiz. Ohne das Ausweichsystem dürfen Drohnen im dichten, unkontrollierten Luftraum bei Tag nur in Begleitung, etwa durch einen Helikopter, fliegen. Unbegleitete Flüge sind erst ab 3000 Metern über dem Flachland und ab 4000 Metern über den Alpen sowie bei Nacht erlaubt. Ohne das Enteisungssystem können Drohnen nicht fliegen, wenn sich Eis bilden könnte. Einsätze bei Bodennebel sind ohne das automatische Start- und Landesystem nicht möglich.
Der Dieselmotor bleibt auf Wunsch der Schweiz weiterhin Bestandteil des Projekts. Mit diesem Motor können die Drohnen bis zu 16 Stunden in der Luft bleiben.
Herstellerin musste Strafen zahlen
Die Projektpartner Elbit und Ruag hätten «vertragliche Meilensteine wiederholt nicht eingehalten», schreibt das Bundesamt für Rüstung (Armasuisse) in einer Mitteilung. Laut dem Rüstungschef Urs Loher hatte die Herstellerin Elbit die Zusatzfunktionen ursprünglich zugesichert. Dafür habe Elbit Konventionalstrafen und Kompensationszahlungen im zweistelligen Millionenbereich bezahlen müssen. Bei der Ruag wird auf eine Strafe verzichtet, weil es sich um einen Betrieb im Besitz des Bundes handelt. Der Entwicklungsvertrag für das Ausweichsystem wird aber beendet und die Zahlungen an die Ruag gestoppt.
Der Entscheid sei «zweifellos ein Rückschlag» und stelle das Unternehmen vor grosse Herausforderungen, schreibt die Ruag auf Anfrage. 45 Mitarbeiter beschäftigten sich mit dem Ausweichsystem. Zu dem Vorwurf, dass Meilensteine nicht eingehalten worden seien, schreibt das Unternehmen: Sein System stehe «in direkter Abhängigkeit zum Gesamtsystem, das sich als sehr komplex erweist und insgesamt in Verzug geraten ist». Deswegen seien einzelne Arbeitspakete nicht wie geplant abgeschlossen worden.
Projekt bleibt auch abgespeckt herausfordernd
Die Schweiz könne nicht auf den Nutzen der Drohnen verzichten, stellte der VBS-Chef Martin Pfister am Donnerstag vor den Medien in Emmen klar. Die Drohnen deckten ein breites militärisches und ziviles Einsatzspektrum ab. Doch auch in der abgespeckten Variante werde das Projekt «nicht einfach zum Selbstläufer», so Pfister. Es sei nicht auszuschliessen, dass Elbit weitere Meilensteine verfehle. Das Projekt werde weiterhin einen hohen Einsatz von Ressourcen, Zeit und Führung erfordern.
Doch der finanzielle Spielraum ist klein: 97,5 Prozent des bewilligten Kredits sind bereits verpflichtend eingegangen worden. Immerhin habe Elbit zugesagt, die im Servicevertrag genannten Fixkosten für acht Jahre zu übernehmen, schreibt Armasuisse.
Hinzu kommen allerdings die Auflagen der Militärluftfahrtbehörde, die für die Zulassung solcher Systeme zuständig ist. Fünf von sechs Drohnen sind gemäss Armasuisse inzwischen in der Schweiz eingetroffen. Elbit habe bisher nicht nachweisen können, dass sie alle «designkonform» gefertigt worden seien. Diese Nachweise sind Voraussetzung für eine uneingeschränkte Betriebserlaubnis.
Damit dürfen die betroffenen Drohnen nur unter Auflagen fliegen. Sie benötigen einen Notfallschirm, müssen Mindesthöhen einhalten, jederzeit Notlandepunkte erreichen können und dürfen nicht lange über dichtbesiedeltem Gebiet eingesetzt werden.
Schon heute ist absehbar, dass bis zu vier Drohnen die Nachweise nicht erbringen können und dauerhaft nur unter Auflagen eingesetzt werden dürfen. Elbit habe jedoch in Aussicht gestellt, eine Drohne auszutauschen. «Damit bestünde die Chance, über mindestens drei Drohnen zu verfügen, die ohne Auflagen betrieben werden können», schreibt Armasuisse.
Laut dem Chef Kommando Operationen der Armee, Korpskommandant Laurent Michaud, wird mit dem neuen System eine seit 2019 bestehende Fähigkeitslücke geschlossen; damals wurde das Vorgängermodell ausser Dienst gestellt. Mit den neuen Drohnen lässt sich ein Gebiet in der Grösse des Kantons Basel-Landschaft innerhalb einer Stunde erfassen. Diese Fähigkeit sei für jede moderne Armee unerlässlich.
«Ein sehr unerfreuliches Projekt»
Bürgerliche Parlamentarier begrüssen den Entscheid des VBS-Chefs grundsätzlich, das Projekt nicht komplett zu beerdigen. Abspecken sei besser als abbrechen, zumal die Drohnen in der Standardversion im Einsatz seien, beispielsweise in Israel. Der SVP-Nationalrat Michael Götte bezeichnet das Projekt dennoch als «sehr unerfreulich». Dem Parlament seien die Drohnen stets als «Super-Produkt» verkauft worden.
Reto Nause, Mitte-Nationalrat und Präsident der Allianz Sicherheit Schweiz, betont die unersetzliche Rolle der Drohnen für Aufklärungsmissionen: «Beim Bergsturz in Blatten hätten wir sie beispielsweise hervorragend einsetzen können.» Die Unzuverlässigkeit von Elbit als Lieferant sieht er als Vorteil, der der Schweiz eine bessere Verhandlungsposition verschafft: «Elbit soll unsere Drohnen bewaffnen – damit wir nicht nur Aufklärung, sondern auch Feuerkraft haben zum Schutz unseres Luftraums.»
Die SP-Ständerätin Franziska Roth bezeichnet das Projekt als «Desaster». Der hohe Ressourcenbedarf auch in der abgespeckten Version zeige, «wie schlecht Armasuisse in der Vergangenheit beschafft und verhandelt hat».















































































































































































































































































































































