22 Verletzte: Armee-Rituale werden Fall für Bundesrat Pfister
Der Fall einer gewalttätigen Beförderungs-Zeremonie in der Kaserne Colombier empört Sicherheitspolitiker. Verteidigungsminister Pfister soll sich äussern.
22 Verletzte, ein Spitalnotfall und 14 Arztzeugnisse: So lautet das Resultat einer Beförderung in der Kaserne Colombier (NE) am 6. April 2018. Wie CH Media publik machte, nutzten Armeekader die Zeremonie, um mit «Wut und Hass» auf die ihnen untergebenen Soldaten einzuschlagen. Und sie wurden von der Kompaniekommandantin noch angefeuert: «Ich toleriere bis zu zwei gebrochene Schlüsselbeine», hatte sie in scherzhaftem Ton gesagt.
Die Verantwortlichen wurden kürzlich verurteilt, doch damit ist die Geschichte nicht gegessen. Bei Sicherheitspolitikern aller Couleur hat die Recherche zu reden gegeben. «Diese demütigenden Rituale haben null und nichts in der Armee zu suchen», empört sich die Aargauer Mitte-Ständerätin Marianne Binder. «Kommt hinzu, dass bewusst Verletzungen in Kauf genommen wurden – wo sind wir denn?»
Priska Seiler Graf, Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats, kann sich gut vorstellen, dass dieser Fall in der Kommission thematisiert werden wird. «Rituale sind wichtig», sagt die Zürcher SP-Nationalrätin. «Aber so etwas hat nichts zu tun mit einer funktionierenden, modernen Armee – und diese brauchen wir heute mehr denn je.»
«Einer militärischen Führungsaufgabe nicht würdig»
Auch SVP-Nationalrat Michael Götte stimmt in diesen Tenor ein. «Sobald es nur noch darum geht, jemandem Schmerzen zuzufügen und sogar Verletzungen in Kauf zu nehmen, muss der Vorgesetzte einschreiten», sagt der Oberst. Er hat als Panzergrenadier laut eigenen Angaben solche Rituale selbst x-fach durchgestanden und findet diese auch sinnvoll – «aber nur, solange sie im Rahmen bleiben. In Bezug auf diesen Fall muss ich sagen, dass die Vorgesetzten einer militärischen Führungsaufgabe nicht würdig sind.»
Für Götte ist zur Verhinderung solcher Zwischenfälle nicht die Armeeführung gefragt, sondern die verantwortlichen Zugführer und Kompaniekommandanten: Als solcher habe er seine Verantwortung «immer wahrgenommen und Grenzüberschreitungen bei den Ritualen unterbunden».
Verteidigungsminister Pfister muss sich Fragen stellen lassen
SP-Nationalrat Fabian Molina wird den Vorfall in der am kommenden Montag beginnenden Session thematisieren. «Der Fall, auch wenn er ein besonders krasses Beispiel ist, reiht sich ein in eine ganze Reihe von Vorkommnissen in der Armee.» Das zeige der Bericht zu Diskriminierung und sexualisierter Gewalt, der vor einem Jahr veröffentlicht wurde.
Der Bericht zeigte auf, dass knapp 50 Prozent der Rekruten Diskriminierung und 40 Prozent sexualisierte Gewalt erleben. Die Armeeführung kündigte daraufhin ein Massnahmenpaket an, um Diskriminierung und sexualisierte Gewalt zu verhindern.
«Ein Aktionsplan reicht meiner Meinung nach nicht aus», sagt Molina. Der Zürcher wird sich darum mit einer Frage an Verteidigungsminister Martin Pfister wenden. «Bundesrat Pfister soll darlegen, ob er neben präventiven auch disziplinarische und strafrechtliche Massnahmen in Betracht zieht, um die von der Armee proklamierte Nulltoleranz auch umzusetzen.»